Einen Gott in Menschengestalt, vermutet der Ägyptologe Ludwig Morenz von der Universität Bonn, verehrten die Menschen erstmals im Südwesten der Halbinsel Sinai in Ägypten. Dort fand Morenz die ältesten Belege für »El«, einen personifizierten Gott jener Art, wie sie vergleichbar später auch in der Stadt Ugarit, in der hebräischen Bibel oder dem Koran zu finden ist. Das Hochplateau von Serabit el Chadim auf der Sinai-Halbinsel war im zweiten Jahrtausend v. Chr. eine interkulturelle Kontaktzone zwischen den Altägyptern und den Kanaanäern. Die Ägypter unterhielten dort einen großen Tempel für mehrere Gottheiten, die Kanaanäer beuteten auf diesem Plateau Kupfer- und Türkisvorkommen aus. Indem die Kanaanäer die komplexen Schriftzeichen der Altägypter vereinfachten, schufen sie einen Vorläufer heutiger Alphabetschriften.
Auf ähnliche Weise, glaubt Morenz, vereinfachten sie auch die komplexe ägyptische Götterwelt auf zwei Gottheiten: den männlichen »El« und die weibliche »Bacalat«. Im Zuge dieser Vereinfachung wurde dann der alte semitische Allgemeinbegriff »Gott« zum Personenbegriff »El« als konkreter Götterperson. Allerdings war diese Verehrung noch kein Monotheismus, sondern vielmehr nur eine Etappe auf dem Weg dorthin. El und Bacalat wurden gleichwertig als Götterpaar nebeneinander verehrt. Erst später begann dann der männliche »El« über die weibliche »Bacalat« zu dominieren. Diese vereinfachte Denk- und Vorstellungswelt der Kanaanäer wirkte sich in der Folgezeit weiter auf andere Religionen aus, folgert Morenz. Ganz ähnlich wie die Alphabetschrift der Kanaanäer setzte sich dann auch deren vereinfachtes Gottesbild bis in unsere Gegenwart durch.