Die Altersbestimmung von Planetenoberflächen im Sonnensystem basiert oft auf der Anzahldichte von Einschlagkratern, was wiederum genaue Modelle der Produktionsrate dieser Krater erfordert. Speziell auf dem Mars zeigen bisherige Schätzungen der Produktionsrate kleiner Krater (<60 m), die auf Orbitalbildern und Daten vom Mond basieren, deutliche Diskrepanzen. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat nun eine neue, unabhängige Schätzung der Meteoriteneinschlagsrate durch die Analyse seismischer Daten der NASA-Mission InSight vorgenommen und liefert überraschende Ergebnisse.
Seismologie als Schlüssel zur neuen Einschlagartenbestimmung
Die NASA-Landesonde InSight, die ein Seismometer (SEIS) in Elysium Planitia platziert hat, bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Meteoriteneinschlagsrate unabhängig von Kameraauflösungen und Staubbedeckung zu schätzen. Meteoriteneinschläge erzeugen seismische Wellen, die, wie tektonische Marsbeben, aufgezeichnet und klassifiziert werden können. Dies erlaubt es, Einschläge anhand seismischer Daten zu identifizieren und zu zählen.
Seit Beginn der Mission wurden durch gezielte Aufnahmen der Umgebung von InSight neue Krater entdeckt. Mit fortschreitender Mission konnten schließlich frische Krater eindeutig seismischen Ereignissen zugeordnet werden. Bis zum Ende der Mission wurden so acht seismische Ereignisse, die das SEIS registrierte, als Einschläge identifiziert.
Eigenschaften der sehr hochfrequenten (VF) Ereignisse
Die Forscher stellten fest, dass die seismisch erfassten Einschläge in der Nähe der InSight-Landesonde alle zum Typ der sehr hochfrequenten (VF) Ereignisse gehörten. Es zeigte sich, dass diese VF-Ereignisse auch zu den nächstgelegenen bekannten Einschlägen zählten. Dies führte zu der Annahme, dass möglicherweise alle VF-Ereignisse durch Meteoriteneinschläge verursacht werden könnten.
Um diese Hypothese zu untermauern, wurde geprüft, ob die Eigenschaften der VF-Ereignisse mit einem Einschlagursprung in Einklang zu bringen sind. Durch die Anwendung empirischer Skalierungsbeziehungen, die zwischen seismischem Moment und Kraterdurchmesser konvertieren, wurden Flächen- und Zeitkorrekturen vorgenommen, um eine globale Einschlagsrate abzuleiten.
Neue Schätzungen der Kraterbildungsrate
Die Analyse ergab, dass weltweit pro Jahr etwa 280–360 Krater mit einem Durchmesser von mehr als 8 Metern entstehen. Diese Zahl liegt nicht nur im Einklang mit zuvor veröffentlichten Chronologiemodellen, sondern auch deutlich über den Raten, die auf Basis frisch abgebildeter Krater geschätzt wurden. Diese neue Schätzung betont die Wirksamkeit der Seismologie zur Bestimmung der Einschlagrate von Meteoriten und ergänzt andere Methoden wie die Orbitalbildgebung.
Bedeutung der Ergebnisse
Die aktuelle Meteoroiteneinschlagrate auf dem Mars ist entscheidend für die präzise Bestimmung des absoluten Alters von Oberflächen im gesamten Sonnensystem. Zudem hilft sie, die Größenverteilung kleiner Asteroiden und die damit verbundenen Gefahren für Raumfahrzeuge zu verstehen. Die bisherige Methode zur Schätzung der Kraterbildungsrate über Satellitenaufnahmen war durch Auflösungsgrenzen und Staubbedeckung begrenzt, während Modelle der Mondkraterchronologie aufgrund unterschiedlicher Bedingungen teilweise ungenau waren.
Die neue seismisch abgeleitete Schätzung der Kraterbildungsrate liefert nicht nur eine verlässlichere Datenbasis für wissenschaftliche Modelle, sondern zeigt auch, dass sich die Seismologie als leistungsfähiges Instrument zur Erforschung des Mars etabliert hat. Diese Erkenntnisse stärken die Notwendigkeit interdisziplinärer Ansätze in der Planetenwissenschaft und öffnen neue Perspektiven für zukünftige Forschungsprojekte.
Somit hat die InSight-Mission nicht nur zur Erforschung des Marsbeben-Verhaltens beigetragen, sondern auch entscheidende Einblicke in die Dynamik des Mars und seiner Kraterbildung geliefert – ein bemerkenswerter Fortschritt in der Marsforschung.