Wie viel Schwerkraft wirkt in der ISS?

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Foto (C): Alamy Stock Photo
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Lustige Aufnahmen von Gitarren oder anderen Dingen, die durch die Luft fliegen: Diese Bilder sind wir gewohnt, wenn Astronauten auf der ISS herum schweben. Aber sind sie völlig schwerelos?

(Text: Jens Schröder)

Viele Menschen würden wohl sagen: Auf der Internationalen Raumstation gibt es gar keine Schwerkraft! Und darauf verweisen, dass Astronauten und Material ganz offenbar schwerelos durch die ISS schweben. Aber die Sache ist komplizierter: Die Besatzung erfährt zwar Schwerelosigkeit – aber nicht, weil dort keine Gravitation herrschen würde. Tatsächlich zieht die Masse der Erde alles auf der ISS auch in 400 Kilometer Entfernung noch mächtig an: Mit 88 Prozent der Kraft, die wir hier auf der Erdoberfläche erfahren. Das heißt: Ein Astronaut, der auf der Erde 100 Kilogramm wiegt, würde auf der ISS in 400 Kilometer Höhe immer noch 88 Kilogramm wiegen.

Warum schwebt er dennoch? Oft liest man dafür die Erklärung, dass durch die Kreisbewegung der Raumstation um die Erde eine Fliehkraft nach außen entstehe, die der Gravitation der Erde genau entgegenwirke und diese ausgleiche. Das stimmt aber so nicht. Die Fliehkraft ist eine Scheinkraft, die nur entsteht, wenn mehrere Kräfte wirken. Das ist hier nicht der Fall, und so kann sie bei der Entstehung der Schwerelosigkeit keine Rolle spielen.

Im freien Fall durch den Weltraum, immer an der Erde vorbei

Die korrekte Erklärung: Die Internationale Raumstation mit ihren 455 Tonnen Masse und allen Menschen an Bord wird stark von der Erde angezogen, aber befindet sich gleichzeitig im freien Fall. Dieser bewirkt die Schwerelosigkeit. Wohin fällt die ISS? Die Antwort: Da sie sich mit 7600 Metern pro Sekunde seitwärts auf ihrer Umlaufbahn bewegt, fällt sie sozusagen permanent an der Erde vorbei, die sich unter dem rasenden Gerät wegdreht. Sie fällt quasi »hinter den Horizont« und erreicht nie den Boden. Tatsächlich sinkt die ISS sogar durch Reibung an der (extrem dünnen) Atmosphäre um mehrere Dutzend Meter pro Tag nach unten und muss ab und zu durch Triebwerkstöße wieder auf eine höhere Umlaufbahn angehoben werden.

Was machen die Frauen und Männer eigentlich alles auf der ISS? Dazu mehr im P.M. Magazin Ausgabe 09/2019, in der Geschichte „Das Labor im All“.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.