Die Spieler im Carbrook Golf Club an der Ostküste Australiens haben in den vergangenen 25 Jahren nicht selten große Augen gemacht: War das nicht gerade eine Haifischflosse, die aus dem Golfteich neben dem Fairway ragte?! 1996 erstmals beobachtet, wurden die Haie im Carbrook Golf Club – wo sie eine Art Maskottchenstatus erlangten und nie jemanden angegriffen haben – seit 2015 nicht mehr gesichtet. Wahrscheinlich sind sie entweder verendet oder genauso zurück ins Meer gelangt, wie sie einst gekommen waren: durch eine Überschwemmung, die den Hunderte Meter durchmessenden Golfteich mit dem in der Nähe ins Meer fließenden Logan River verband. Gibt es also wirklich Süßwasserhaie?
Wer am Golfplatz genauer hinsah, konnte sogar erkennen, dass es sich um ausgewachsene Bullenhaie (lat. Carcharhinus leucas) handelte, eine bis zu drei Meter große Spezies. Dieser werden neben dem Weißen Hai und dem Tigerhai weltweit die meisten Haiangriffe auf Menschen zugeschrieben. Die Geschichte von den Haien im Golfteich ist das vielleicht kurioseste Beispiel für eine Tatsache, die vielen Menschen nicht bewusst ist: Manche Haiarten können auch in Süßwasser überleben.
Sogenannte Süßwasserhaie können sowohl in Salz- wie auch in Süßwasser überleben
Dazu gehört der Bullenhai, die schon flussaufwärts in Mississippi, Sambesi und Amazonas gesichtet wurden, und verschiedene Flusshaiarten wie der Ganges- oder Speerzahnhai. Möglich macht ihnen das eine besondere Fähigkeit ihres Körpers: Sie können die sogenannte Osmoregulation an den Salzgehalt des Wassers anpassen. Im Meereswasser ist durchschnittlich 3,5 Prozent Salz enthalten. Süßwasser dagegen enthält nur circa 0,1 Prozent Salz. Die Nieren filtrieren im Süßwasser weniger Salze und stattdessen vermehrt Harnstoff aus dem Blut, um das osmotische Gleichgewicht zwischen der Konzentration gelöster Stoffe in den Körperflüssigkeiten und im umgebenden Wasser zu halten. Ohne diese Umstellung würden die Haie im Fluss zu viel Wasser im Körper einlagern. Diese Anpassung können sie über längere Zeit aufrechterhalten. Jüngere Bullenhaie leben dabei viele Jahre im Süßwasser, während sich ältere Tiere eher im Salzwasser wohl fühlen.
Auch der Bullenhai gehört zu den Süßwasserhaien
Aufgrund ihres Aussehens werden sie oft auch mit dem weißen Hai verwechselt. Sie gehören zu den Top-Prädatoren, haben als wenige natürliche Feinde und sind besonders bedeutend für das Ökosystem des Salz- und Südwassers. Die Weibchen werden mit circa 3,5 Metern Körperlänge weitaus größer als die Männchen mit durchschnittlich 2 Metern. Ihre wohl größten Feinde sind die Menschen: Lebensraumverluste und Ausbeutung durch die Fischerei ließen die Bestände in den letzten Jahrzehnten um 30 bis fast 50 Prozent zurückgehen. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN steht der Bullenhai als „gefährdet mit abnehmender Bestandsentwicklung“. Noch leben sie küstennah vor Amerika sowohl im Atlantik als auch im Pazifik, vor Afrika südlich der Sahara, Indien, Australien und in Südostasien. Ihren Namen haben sie ihrem bulligen Aussehen zu verdanken. Die Tatsache, dass sie ihrer Beute zuerst mit dem Kopf einen heftigen Stoß verpassen, macht dem Namen alle Ehre. Diese Strategie der Jagd wir auch „bump and bite“ genannt.
Nicht nur der Süßwasserhai kann sich dem Wasser anpassen
Weltweit gibt es etwas 30.000 bekannte Fischarten, von denen die eine Hälfte im Meer, die andere Hälfte im Süßwasser lebt. Ein Wechsel zwischen Süß- und Salzwasser gelingt jedoch nicht vielen von ihnen. Vor allem Süßwasserfische tun sich mit dem Leben in Salzwasser schwer. Im Gegenzug machen viele Meeresfische einen zumindest kurzfristigen Besuch in Flussmündungen oder Unterläufen von Flüssen. Lachse, Aale, Störe, Stichlinge und etwa 3.000 weitere Fischarten können sowohl in Süß- wie auch in Salzwasser langfristig überleben.