(Text: Angelika Franz)
Die Idee, große Mengen Alkohol aus Eimern zu trinken, ist älter als gedacht. Schon vor 5000 Jahren bekam ein Angehöriger der Oberschicht der frühbronzezeitlichen Maikop-Kultur ein Set aus acht extralangen Trinkhalmen mit in den Grabhügel gelegt. Der Fund der dünnen, hohlen Stäbe aus dem nordwestlichen Kaukasus stammt zwar bereits aus dem Jahr 1897 – doch erst jetzt hat eine neue Analyse von Viktor Trifonov von der Russischen Akademie der Wissenschaften zeigen können, wozu die merkwürdigen Objekte einst tatsächlich gebraucht wurden.
Die aus Silber und Gold geschmiedeten Halme sind alle etwa 1,12 Meter lang und haben einen Durchmesser von einem Zentimeter. Trotzdem sind sie erstaunlich leicht, sie wiegen jeweils nur rund 200 Gramm. An vier von ihnen ist ein kleiner Stier befestigt, der entlang des Trinkhalms verschoben werden kann. Zunächst hielten Forschende die Röhren für Zepter oder Gestänge eines Totenbaldachins. Doch bei einer neuerlichen Untersuchung fand Trifonov unter anderem Stärke von Gerstenkörnern an den Innenwänden. Gerstenbier war zu jener Zeit bereits weit verbreitet. Die verengten Enden der Halme könnten, mutmaßt der Archäologe in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift »Antiquity«, dazu gedient haben, Braurückstände aus dem Getränk zu filtern.
In der Maikop-Kultur trank man mit Trinkhalmen aus großen Gefäßen
Passend zu den Trinkhalmen gehörte zu den Grabbeigaben auch ein großes Gefäß, das 32 Liter Flüssigkeit fasste. Waren alle acht Trinkhalme aus dem Set gleichzeitig in Gebrauch, standen so für jeden der Trinker vier Liter Bier zur Verfügung. Derartige Trinkrunden, in denen die Teilnehmer das Getränk mit extralangen Halmen aus einem großen Gefäß schlürfen, waren in der sumerischen Kultur bereits im 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. üblich, wie zahlreiche Abbildungen in der Kunst belegen. Die Trinkhalme aus der Maikop-Kultur sind allerdings der älteste archäologische Nachweis.
Der Artikel ist in der Ausgabe 04/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.