Herrscht im Marianengraben Stille?

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Animal, Invertebrate, Bonfire
Im Marianengraben leben nicht nur Fische wie Pseudoliparis swirei: In der Tiefe singen Wale Foto: © Adam Summers/University of Washington
Forschende haben im Jahr 2016 Tonbandaufnahmen aus dem Marianengraben abgehört, die sie zuvor mit Unterwasserdrohnen hatten machen lassen. Dabei entdeckten sie Geräusche, die sie an die Klänge von Bartenwalen erinnerten.

(Text: Jan Berndorff)

Die meisten Menschen vermuten, dass in den tiefsten Abgründen der Tiefsee große Ruhe herrscht, weil es dort unten in absoluter Dunkelheit wegen der extremen Druckverhältnisse kaum Leben gebe. Meeresbiologen und -biologinnen haben in den vergangenen Jahren zwar herausgefunden, dass etwa im Marianengraben – mit knapp 11 000 Metern die tiefste Rinne der Weltmeere – durchaus Organismen existieren. Neben Amöben und Einzellern gibt es dort auch einige spezialisierte Fische wie Pseudoliparis swirei, eine Art aus der Familie der Scheibenbäuche. Doch selbst Fachleute waren davon ausgegangen, dass deren Lebenswelt eher still ist, da die Wesen kaum Laute von sich geben.

Doch dann hörten 2016 Forschende um Sharon Nieukirk von der Oregon State University Tonbandaufnahmen ab, die sie in den Jahren zuvor von autonomen Unterwasserdrohnen im Marianengraben hatten machen lassen. Immer wieder waren darauf fünfteilige Geräuschserien zu vernehmen, die von tiefem Stöhnen bis zu hohem Quietschen reichten. Der Mensch oder geologische Vorgänge als Quellen ließen sich schnell ausschließen. Stattdessen erinnerten die Klänge an den Gesang von Bartenwalen. »Vor allem der niederfrequente, stöhnende Teil«, hebt Nieukirk hervor: Er erinnere an Rufe, die man von Zwergwalen vor der australischen Ostküste kennt. Andererseits mache der hochfrequente, quietschende Teil die Laute einzigartig. »Wir wissen noch nicht viel über die Verbreitung der Zwergwale in niederen Breiten«, so Nieukirk. Womöglich sei man hier auch einer völlig neuen Walart auf der Spur. Solche Entdeckungen kommen vor: 2003 zum Beispiel haben japanische Forschende den Omurawal als eigene Art identifiziert, die dem Finnwal recht ähnlich sieht. 

Forschende nennen den Sound »Western Pacific Biotwang«

Stutzig macht die Forschenden, dass die Lautfolgen ganzjährig zu hören seien und nicht nur im Winter, wenn Zwergwale einander zur Paarung rufen. Man müsse die räumliche und zeitliche Verbreitung der Rufe nun noch genauer verfolgen, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Einstweilen nennen die Forschenden den Sound »Western Pacific Biotwang«.

Der Artikel ist in der Ausgabe 07/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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