Tsunamis an der Nordseeküste: Ein unterschätztes Risiko?

von
Nordsee Tsunami Astro Tim
Foto: Astro Tim
Ein Tsunami an der Nordsee? Neue Daten zeigen, dass es den schon einmal gegeben hat. Gibt es nun Grund zur Sorge?

Die Nordsee, bekannt für ihre trügerischen Gezeiten und raue Sturmfluten, könnte in Zukunft mit einem wesentlich weniger bekannten, aber ebenso gefährlichen Naturphänomen konfrontiert werden: Tsunamis. Während die meisten von uns bei Tsunamis an die verheerenden Ereignisse im Indischen Ozean 2004 und in Japan 2011 denken, legen neue Forschungsergebnisse nahe, dass auch die flachen Gewässer der Nordsee nicht immun gegen diese zerstörerischen Monsterwellen sind.

Präzise Einblicke aus der Vergangenheit

Wissenschaftler der Universität Mainz entdeckten kürzlich in Sedimentkernen von der nordfriesischen Halbinsel Eiderstedt Spuren eines prähistorischen Tsunamis. Die Analysen dieser Ablagerungen deuten darauf hin, dass vor etwa 8.000 Jahren eine massive Flutwelle auf die deutsche Küste traf und bis weit ins Landesinnere vordrang. Diese Erkenntnisse wurden durch Untersuchungen einer besonderen Schicht in den Sedimenten bestätigt, die typische Merkmale einer Tsunami-Ablagerung aufweist.

Der Ursprung dieses urzeitlichen Tsunamis liegt im Storegga-Rutsch, einer der größten Unterwasser-Hangrutschungen der Erdgeschichte, die sich vor rund 8.150 Jahren vor der Küste Norwegens ereignete. Diese gewaltige Unterwasser-Lawine erzeugte einen Tsunami, der sich über die gesamte Nordsee ausbreitete und mit voller Wucht die deutschen Küsten traf.

Gegenwart und Zukunft: Eine unterschätzte Gefahr?

Die Vorstellung, dass die flachen Gewässer der Nordsee wie eine natürliche Barriere wirken, wurde durch diese Entdeckung erheblich erschüttert. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich ein Tsunami wesentlich weiter ins Landesinnere ausbreiten kann, als bisher angenommen. Doch könnten solche Ereignisse auch heute noch vorkommen?

Erdbeben, die in seismisch aktiveren Regionen oft Tsunamis auslösen, sind in der Nordsee selten. Doch Hangrutschungen auf dem Meeresboden könnten ebenfalls massive Flutwellen erzeugen.

Ein weiteres potenzielles Risiko liegt im möglichen Einsturz der instabilen Westflanke des Cumbre Vieja Vulkans auf der Kanareninsel La Palma, was zu einem Tsunami im Atlantik führen könnte. Computermodelle deuten darauf hin, dass eine solche Flutwelle auch die europäischen Küsten erreichen könnte, wenn auch in abgeschwächter Form.

Meteotsunamis: Eine nahestehende Gefahr

Neben den katastrophalen szenarienbedingten Tsunamis birgt die Nordsee auch die Gefahr kleinerer, aber dennoch gefährlicher Meteotsunamis. Diese Wellen, die durch besondere Wetterlagen und nicht durch Erdbeben ausgelöst werden, konnten bereits in der Vergangenheit erhebliche Schäden verursachen. Ein prominentes Beispiel ist der Meteotsunami von 1858, der die Küsten von Dänemark bis zu den Niederlanden überrollte und Fischerboote an Land spülte.

Fortschrittliche Früherkennung

Während das Tsunami-Risiko in der Nordsee wissenschaftlich anerkannt und beobachtet wird, ist wichtig zu betonen, dass die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Ereignisses äußerst gering ist. Dennoch hat Europa nach der Katastrophe von 2004 ein Tsunami-Frühwarnsystem etabliert, deren Zentrum sich in Hamburg befindet. Hier wird die seismische Aktivität kontinuierlich überwacht, um im Bedarfsfall schnell warnen zu können.

Doch je nach Szenario wäre die Vorwarnzeit an der deutschen Küste nur sehr kurz, möglicherweise nur wenige Stunden.

Fazit: Mäßige Besorgnis, jedoch erhöhte Wachsamkeit

Obwohl das aktuelle Risiko eines Tsunamis in der Nordsee äußerst gering ist, sollten die neuen Forschungsergebnisse ernst genommen werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass unerwartete Ereignisse großen Schaden anrichten können. Langfristige Küstenschutzkonzepte sollten daher auch Tsunami-Risiken berücksichtigen.

Sarah arbeitet als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für „P.M.“ und „National Geographic“. Zum Journalismus kam sie über ihr Studium Modejournalismus / Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem beruflichen Weg sammelte sie auch Erfahrungen im Bereich Film und Fernsehen sowie im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.
Sarah arbeitet als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für „P.M.“ und „National Geographic“. Zum Journalismus kam sie über ihr Studium Modejournalismus / Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem beruflichen Weg sammelte sie auch Erfahrungen im Bereich Film und Fernsehen sowie im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.
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