(Text: Angelika Franz)
Lange war es nur ein Gerücht, dass die »Clotilda«, das letzte US-amerikanische Schiff des transatlantischen Sklavenhandels, auf dem Grund des Mobile River im Bundesstaat Alabama liegen soll. Doch 2019 wurde das Wrack tatsächlich entdeckt – und nun hat eine eingehende Untersuchung bestätigt, dass die Überreste der »Clotilda« hervorragend erhalten sind. Etwa zwei Drittel des Wracks, schätzen Taucher der Spezialfirma Search, sind noch intakt.
Ihr Zustand ist so gut, weil die Sedimente des Mobile River das Holz abdecken und so verhindern, dass Sauerstoff es zersetzt. Entsprechend hoffen die Forscherinnen und Forscher, nicht nur die leere Schiffshülle zu finden, sondern auch übrig gebliebene Verpflegung wie Fässer mit gepökeltem Fleisch, Reis, Zuckersirup oder Rum. Sogar menschliche DNA könnte im Laderaum des Schoners noch erhalten sein. Damit ist die »Clotilda« eine sehr wertvolle historische Quelle.
»Clotilda« überquerte den Atlantik zuletzt im Jahr 1860
Nachfahren der 108 Menschen aus dem heutigen Benin, die auf der letzten Reise der »Clotilda« nach Alabama gebracht wurden, leben noch heute in der Ortschaft Africatown in der Nähe von Mobile. Als das Schiff im Jahr 1860 zum letzten Mal den Atlantik überquerte, war der Import von Sklaven bereits seit über einem halben Jahrhundert verboten. Der reiche Plantagenbesitzer Timothy Meaher hatte jedoch eine Wette abgeschlossen, dass er trotz des Verbots Sklaven nach Alabama bringen könne.
Nachdem der Kapitän der »Clotilda«, William Foster, die Menschen übergeben hatte, versenkte er das Schiff im Mobile River, um die Beweise für das Verbrechen zu vernichten. Als der Amerikanische Bürgerkrieg die Sklaverei im Jahr 1865 endgültig beendete, erwarben die Überlebenden der »Clotilda« Land von der Familie Meaher und gründeten dort die Siedlung Africatown.
Der Artikel ist in der Ausgabe 05/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.