(Text: Christiane Löll)
Nicht nur auf der Erde, sondern im gesamten Weltall lassen Gezeitenkräfte die Sterne wandern. Also betrifft das auch die Galaxie Milchstraße, in der unser Sonnensystem zu Hause ist. Sie umfasst Hunderte Milliarden Sterne, die in einer Scheibe angeordnet sind und sich in einer Art Kugel befinden, »Halo« genannt. Der Halo enthält weitere Sternenhaufen und alte Einzelsterne, die das Zentrum umkreisen.
Wie alle Galaxien war und ist die Milchstraße beständig in Bewegung. Und wann immer sich zwei Galaxien einander nähern, wirken die Schwerkräfte ihrer Massen aufeinander ein, erklärt Maria Bergemann vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg – ähnlich wie der Mond das Wasser der Weltmeere zu sich zieht und auf diese Weise die Gezeiten auf der Erde verursacht. Die Galaxien ziehen sich an und verformen sich gegenseitig. Einige Sterne verändern dadurch ihre Umlaufbahn, sie werden aus Galaxien herausgelöst, gliedern sich in andere ein – oder driften an ihren Rand. Um Letzteres zu belegen, untersuchten die Forscher um Bergemann zwei Sternenansammlungen auf einander gegenüberliegenden Seiten der Milchstraßenscheibe: die Struktur »Triangulum-Andromeda« und die »A13-Überdichte«.
Durch Gezeitenkräfte verformen sich Galaxien
Mit zwei Teleskopen analysierten sie die elektromagnetische Strahlung der Sternenhaufen und zogen Rückschlüsse darauf, wie sie chemisch zusammengesetzt sind. Dabei konnten sie herausfinden, dass sich beide Systeme kaum voneinander unterscheiden und dass sie sogar den Sternen innerhalb der Milchstraßenscheibe ähneln. Demnach haben die Strukturen denselben Geburtsort in unserer Galaxie und sind später weit auseinandergeschoben worden. Vermutlich sei einst eine Zwerggalaxie an der Milchstraße vorbeigezogen, sagt Bergemann. Durch deren Schwerkraftwirkung seien die Sternenhaufen an den Rand der Milchstraße gelangt – ein Hinweis auf Gezeitenkräfte im All.
Dieser Artikel ist in P.M. Fragen & Antworten 07/2020 erschienen.