Die Vorstellung, die eigene Zunge verschlucken zu können, ist ein verbreiteter Mythos, der besonders im Zusammenhang mit Ohnmacht oder epileptischen Anfällen erwähnt wird. Allerdings ist es praktisch unmöglich, seine Zunge tatsächlich zu verschlucken als wäre sie ein Happen vom Sonntagsbraten. Der Grund dafür liegt in der Anatomie der Zunge und wie sie im Mundraum verankert ist. Die Zunge ist vorn an dem Unterkieferknochen befestigt und wird am Mundboden durch eine Vielzahl von Muskeln und das sogenannte Zungenbändchen, den frenulum linguae, gehalten. Diese Strukturen verhindern, dass die Zunge in den Rachenraum und somit in die Atemwege gelangen und sie blockieren kann. Geschehen ist das 2017 zum Beispiel dem spanischen Fußballstar Fernando Torres, der nach einem Zusammenprall im Zweikampf ohnmächtig wurde. Ein Mitspieler griff beherzt in den Mund des Bewusstlosen und zog die Zunge hervor.
Dennoch kann es in seltenen Fällen bei einem starken Stoß auf den Kopf oder bei einem Bewusstseinsverlust, wie er bei Krampfanfällen oder einer Ohnmacht auftreten kann, dazu kommen, dass sich die Zunge nach hinten in den Rachenraum bewegt. Dies kann vorübergehend die Atemwege verlegen und das Atmen erschweren. Angesichts dessen wird bei der Ersten Hilfe Personen, die bei Bewusstsein sind und bei vollem Bewusstsein Krampfanfälle haben, oft empfohlen, auf die Seite gelegt zu werden (Stabile Seitenlage), damit die Atemwege frei bleiben und um Aspiration (Einatmen von Erbrochenem) zu verhindern. Allerdings sollte niemals versucht werden, einem krampfenden Patienten etwas in den Mund zu stecken oder die Zunge festzuhalten, um ein vermeintliches „Verschlucken“ der Zunge zu verhindern, da dies zu Verletzungen führen kann.
Die eigene Zunge verschlucken – geht das?
Die Zunge verschlucken geht also nicht. Wohl aber kann die Zunge nach hinten rutschen und dann die Atemwege verschließen, erklärt Bernd Böttiger, Mitglied im Vorstand der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Eben genau dann, wenn jemand bewusstlos ist und die Muskeln der Zunge erschlaffen. Das kann nach einem Schlaganfall der Fall sein, bei Herzrhythmusstörungen, nach einem Unfall oder nach zu viel Alkohol, Drogenkonsum sowie der Einnahme bestimmter Medikamente. Menschen mit Übergewicht haben ein höheres Risiko, auch solche mit besonders großen Zungen.
Kurzzeitig kann auch im Schlaf beim Schnarchen die Zunge die Luftwege verschließen. „Wenn das bei einem bewusstlosen Menschen passiert, muss sofort Hilfe geleistet werden“, sagt Bernd Böttiger. Je früher das geschieht, desto besser. Sind nämlich die Atemwege durch die Zunge verschlossen, gelangt nicht mehr genug Sauerstoff in den Körper und vor allem ins Gehirn. Das kann zu langfristigen Hirnschäden führen. Daher sollte man sofort den Notarzt rufen.
(Text: Astrid Viciano)