Wer Vögel im Flug beobachtet, staunt immer wieder über ihre Perfektion: haarscharfe Wendungen, tollkühne Flugfiguren, blitzschnelle Richtungswechsel – und perfekte Landungen auch noch auf dem allerdünnsten Zweig. Kein Wunder: Ein Fehler im Flug mit Absturzgefahr ist gefährlicher als einer beim Laufen – so hat die Evolution Vögel offenbar mit so guten motorischen Koordinationsfähigkeiten ausgestattet, dass ihnen einfach keine Fehler passieren. Oder gucken wir einfach in den peinlichen Vogelmomenten nur nicht richtig hin? »Es gibt durchaus so etwas wie Tollpatschigkeit bei Vögeln«, sagt Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell. »Ich habe das gerade bei Aras in Mittelamerika beobachtet: Die fliegen einen Zweig an, landen falsch, ziehen sich dann mit dem Schnabel hoch. Sehr unprofessionell!«
Alle Vögel fliegen hoch! Aber nicht wirklich alle. Der Strauß zum Beispiel bleibt am Boden.
Seine Mitarbeiter haben auch detaillierte Daten zum Flugverhalten von Störchen erhoben. »Das wird mit steigendem Lebensalter eines Tieres immer besser«, so Wikelski. »Oder andersherum gesagt: Es ist am Anfang nicht besonders elegant.« Und weil sich Eleganz wissenschaftlich schlecht messen lässt, haben Wikelski und Kollegen sich bei den Störchen mit der Flug-Effizienz als Kriterium beholfen: Junge Storchenvögel, so das Ergebnis der Studie, brauchen bei der ersten Reise gen Süden rund 14 Prozent mehr Energie als erwachsene Tiere, weil sie viel häufiger mit den Flügeln schlagen. »Sie bekommen das mit dem Gleiten einfach noch nicht richtig hin.«
Es gibt durchaus so etwas wie Tollpatschigkeit bei Vögeln
Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell
Gute Flug-Gene reichen offenbar nicht aus, um perfekt fliegen zu können. Bei jedem Einzeltier gebe es anfangs »individuelle Unzulänglichkeiten« in der komplizierten Koordination der Bewegungen, die erst durch dauerndes Lernen auszumerzen seien. »Das Fliegen ist natürlich eine der motorischen Königsdisziplinen«, sagt Wikelski. So sind ungelenke und suboptimale Manöver bei jungen Vögeln vermutlich sogar häufiger als bei Tierarten, die sich durch Laufen fortbewegen – denn das ist einfach viel leichter zu lernen.
(Text: Jens Schröder)