Nicht immer müssen für die Papierherstellung Bäume fallen: 2021 eröffnete in Mannheim die erste Fabrik in Europa, die Zellstoff aus Stroh gewinnt. Aus 70 000 Tonnen der runden Ballen erzeugt sie 35 000 Tonnen des Grundstoffs für die Papierproduktion. Die neue Technik funktioniert mit Dampf unter hohem Druck. Sie benötige keine aggressiven Chemikalien, betont Martin Wiens, Leiter der neuen Fabrik des Unternehmens Essity. Zudem seien die Kohlendioxidemissionen geringer als bei dem Standardverfahren mit Holz.
Stroh fällt in riesigen Mengen bei der Getreideernte an. »Bis dato gab es dafür kaum andere sinnvolle Verwendungsmöglichkeiten«, sagt Wiens. Vor diesem Hintergrund könne man es sogar regional beziehen. In Mannheim entsteht aus den gelben Halmen nun Toilettenpapier. Den Plänen des Unternehmens zufolge sollen bald auch Küchenpapier, Taschentücher und andere sogenannte Hygienepapiere folgen. Denen sieht man aber nicht an, dass sie vom Acker kommen. Sie sind genauso weiß und weich wie das Pendant aus Bäumen.
Auch Gras oder durchwachsene Silphie werden als Ausgangsmaterial verwendet
Essity beabsichtigt, in Zukunft weitere Werke zu errichten, die Stroh verarbeiten können. Grundsätzlich könnte man aus den Halmen auch Papier für Bücher und für das Büro herstellen, sagt Wiens. Das allerdings sei nicht das Geschäftsfeld seines Unternehmens. Andere Hersteller sind aber ebenfalls auf das neue Verfahren aufmerksam geworden. Papier besteht im Wesentlichen aus einem Geflecht von Zellulosefasern. Diese Gerüstsubstanz kommt aber nicht nur in Bäumen, sondern auch in anderen Pflanzen vor.
Als Ausgangsmaterial werden daher in kleinerem Umfang etwa auch Gras oder die Durchwachsene Silphie verwendet, eine hochwachsende Pflanze mit gelben Blüten. Nach der Mahd werden sie getrocknet, gemahlen und zu Pellets gepresst. Ihre Zellulosefasern sind aber nicht so lang und stabil wie jene aus Holz, sodass Gras oder Silphie Holz im Papier nicht völlig ersetzen können.
(Text: Susanne Donner)
Der Artikel ist in der Ausgabe 11/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.