(Text: Manuel Opitz)
Die Geschichte vom Jungen, der das sagenhafte Schwert Excalibur mühelos aus einem Stein zog, dann König von Britannien wurde und auch noch die berühmte Tafelrunde gründete, kennt fast jedes Kind. Doch ob es je einen Artus gab – oder zumindest ein historisches Vorbild für die Sagenfigur –, darüber rätseln Wissenschaftler bis heute.
Fest steht: Den Mythos vom heldenhaften König Artus hat maßgeblich der walisische Mönch Geoffrey von Monmouth im 12. Jahrhundert in Umlauf gebracht. Im Auftrag des englischen Königs Stephan sollte er eine Geschichte der britischen Könige verfassen. Ins Zentrum seiner »Historia regum Britanniae« rückte er Artus, eine Figur, die damals schon in alten Heldenliedern ihren festen Platz hatte. Danach soll dieser Krieger bravourös gegen die Angeln und Sachsen aus Norddeutschland gekämpft haben, die im 5. Jahrhundert in Britannien einfielen.
Viele Autoren schmückten die Heldenlegende um Artus weiter aus
Doch in den Quellen des 5. oder 6. Jahrhunderts taucht nirgends ein Artus auf. Erst gut 300 Jahre später ist in einem Text erstmals die Rede von ihm: in der »Geschichte der Briten«, um 830 verfasst. Dort heißt es, ein gewisser Artus habe in der Schlacht am Mount Badon (nördlich des heutigen Bath) phänomenal gesiegt: 960 Sachsen soll er eigenhändig erschlagen haben. Allerdings trägt dieser Artus keinen Königstitel. Zudem ist unklar, wie historisch korrekt die Schrift ist, allein die Zahl von 960 angeblich besiegten Gegnern wirkt fantastisch.
Jedenfalls spann Geoffrey eine ganze Lebensgeschichte um die Artus-Figur: Er machte ihn zum unehelichen Sohn eines britischen Königs, dessen Nachfolge er antrat, um etwa Schottland und Irland zu erobern. Später wurden die Artus-Erzählungen von anderen Autoren immer weiter ausgeschmückt und ergänzt: etwa mit dem Schwert im Stein, der Tafelrunde und der Legende vom Heiligen Gral. Artus verwandelte sich in ein Ideal der Ritterlichkeit. Und für die Briten des Mittelalters war ganz klar: König Artus gab es wirklich.
Erst im 16. Jahrhundert äußerten Historiker grundsätzliche Zweifel. Und bis heute gibt es keine Beweise dafür, dass es jemals einen König Artus gab. Am Ende bleiben nur Vermutungen: Er könnte eine Art Warlord gewesen sein. Oder die literarische Version einer echten Figur, wie der Historiker Geoffrey Ashe glaubt. Er meint, dass zwei reale Heerführer über Erzählungen zu Artus verschmolzen seien: und zwar Artorius, ein römischer Offizier des 2. Jahrhunderts, und Ambrosius Aurelianus, der die besagte Schlacht am Mount Badon gegen die Angelsachsen gewonnen haben soll. Noch eine Variante: »Artos« bedeutet im Keltischen »Bär«. Vielleicht hat sich die Bezeichnung für einen bärenstarken Krieger also auch einfach irgendwann in einen Eigennamen verwandelt.
Der Artikel ist in der Ausgabe 08/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.