(Text: Frederik Kesting)
Bei sportlichen Wettkämpfen soll es fair zugehen. Kein Wunder also, dass die Diskussionen hochkochten, als bei den Olympischen Spielen 2012 in London zum ersten Mal ein Athlet mit Prothesen antrat. Das Recht, mit seinen künstlichen Beinen teilzunehmen, musste sich der beidseitig amputierte Oscar Pistorius zunächst vor Gericht erstreiten. Dass die Genehmigung, die Pistorius erhielt, nicht selbstverständlich war, zeigte sich auch Jahre später im Rechtsstreit um den Sprinter Blake Leeper: Dieser durfte mit seinen Prothesen nicht bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 antreten. Leeper könne, so der Leichtathletik-Weltverband World Athletics (WA), nicht nachweisen, dass ihm seine Prothesen keinen Vorteil verschaffen.
Vergleichsstudie: Prothesen können für Profisportler Vor- und Nachteil zugleich sein
Auch unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird heiß diskutiert, ob die Leistungen von Laufprofis mit und ohne Prothesen vergleichbar sind. In einer aktuellen Vergleichsstudie wurde nun gezeigt, dass die künstlichen Beine Vorteil und Nachteil zugleich sein können. So können die Profiläufer ohne Prothesen einen deutlich schnelleren Start hinlegen, und auch die Kurven nehmen sie in einem höheren Tempo. Auf gerader Strecke erreichen Läuferinnen und Läufer mit Prothesen jedoch ähnliche Geschwindigkeiten wie die Profis mit gesunden Beinen. Und im Zieleinlauf haben sie sogar einen kleinen Vorteil. Ob nun die Nachteile oder die Vorteile überwiegen, hängt insbesondere von der Art des Wettkampfs ab. Bei einem 400-Meter-Lauf, stellt die Studie fest, herrschen wohl insgesamt faire Bedingungen: Vor- und Nachteile gleichen sich dann in etwa aus.
Der Artikel ist in der Ausgabe 05/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.