Vogelgesang: Frühlingskonzert in den Baumwipfeln für die Psyche

von
Vogelzwitschern erkennen
Foto: Sander Meertins // Adobe Stock
Wenn die Sonnenstrahlen wärmer werden, ist er wieder da, erst zaghaft, dann vielstimmig: der Chor der Vögel. Sie pfeifen, trällern, tirilieren. Doch wie eigentlich? Und warum?

Der Vogelgesang läutet in vielen Gärten oder Hinterhöfen den Tag ein, gerade im Frühling. Die Vögel kommunizieren mit ihren Klängen, gehen auf Futtersuche, suchen nach Partnern, verteidigen ihr Revier oder warnen Artgenossen vor Feinden. Die Töne werden alle auf dem gleichen Weg erlernt: Wie ein Kleinkind das Sprechen von den Eltern lernt, so muss ein Singvogel das Trällern von den Älteren ablauschen. Jede Art pflegt charakteristische Klangfolgen, die mancher Vogel immer wieder neu zu „Liedern“ kombiniert, die Ornithologen „Strophen“ nennen. Dabei kann es sich – wie bei dem in Australien heimischen Zebrafink – um eine einzige Strophe handeln, die das Tier sein Leben lang wiederholt. Oder um ein Repertoire von gut fünf (Kohlmeise) oder sogar mehr als 2000 Strophen (Rote Spottdrossel).

Die ersten Versuche der Jungvögel ähneln noch dem Brabbeln eines Kleinkinds. Erst mit viel Übung gelingt es ihnen, ihre Muskeln so zu steuern, dass sie die Melodien fehlerfrei zwitschern können. Ganz anders verläuft dies bei den sogenannten Signalrufen, mit denen sich Vögel gegenseitig warnen oder als Jungtiere um Futter betteln. Diese vergleichsweise simplen Klänge sind angeboren und müssen nicht mühsam trainiert werden. Manche Papageien und Singvögel – etwa Dohlen, Stare und Eichelhäher – behalten die Fähigkeit, sich neue Melodien einzuprägen, bis ins hohe Alter. Dabei lassen sie sich nicht nur von fremden Vögeln, sondern auch von menschengemachten Geräuschen inspirieren, ahmen etwa Glockenläuten oder Telefonklingeln nach. So bauen sie ihr Repertoire immer weiter aus.

Regionale Dialekte beim Zwitschern

Wie viele Strophen ein Vogelmännchen beherrscht, hängt vermutlich damit zusammen, wie wählerisch die Weibchen in der Evolution auf die Gesangskünste reagiert haben. Bei den Rohrsängern etwa ist Vielfalt wichtig. Wer mit vielen Strophen aufwartet, erobert die besten Reviere, paart sich eher und bekommt mehr Nachkommen. Auch bei Arten mit kleinerem Repertoire fliegen die Weibchen bevorzugt zu jenen, die vielfältiger und klarer singen als ihre Rivalen. Dabei fallen die Umworbenen keineswegs auf Prahlerei herein. Es ist nicht einfach, vielschichtige Tonfolgen zu trällern – für Weibchen bietet sich dadurch die Chance zu erkennen, wie vital ein Männchen ist. Ein größeres Repertoire oder ein besonders sauberer Vortrag geben zusätzlich Auskunft über den Kandidaten: Ich bin erfahren! Ein etwas älteres Männchen ist etwa geübter in Revierkämpfen und hat Erfahrung bei der Aufzucht der Jungen.

Gesang kann auch verraten, woher ein Vogel stammt. Denn so wie Menschen verschiedene Mundarten sprechen, zwitschern Singvögel auch in Dialekten. Der Regenruf des Buchfinken etwa – den der Vogel bei schlechtem Wetter ausstößt – erklingt in Osnabrück als »huit«, weiter östlich als »wrüd« und im südlichen Schwarzwald als »tititüt«. Auch die Goldammer pflegt lokale Mundarten. Studien haben gezeigt, dass Weibchen sich bevorzugt mit Männchen aus ihrer eigenen Dialektgruppe paaren. Haben sich die Paare im Frühsommer dann gefunden, schwindet die Sangeslust der Männchen.

Reduzierung der Stressbelastung durch Vogelgesang

Sind Menschen gestresst, können ihnen Geräusche wie Vogelgesang helfen, sich schneller wieder zu entspannen. Dies wurde in einer Studie aus Schweden herausgefunden. Die Probanden und Probandinnen mussten eine anstrengende Tätigkeit ausführen und hörten danach Geräusche wie Verkehrslärm oder Vogelgesang. Die Stressbelastung wurde durch die elektrische Leitfähigkeit der Haut gemessen. Deutlich wurde, dass die Teilnehmenden, die natürliche Klänge abgespielt bekamen, ihre Stressbelastung schneller herunterfahren konnten. Dies könnte an der positiven Assoziation mit der Natur liegen, Erinnerungen an eine Kindheit im Grünen oder an den Nervenbahnen, die im Gehirn für das Lernen von Wörtern zuständig sind. Diese ähneln sich bei Menschen und Vögeln nämlich stark, weswegen der Gesang besonders intensiv wahrgenommen werden könnte.

Auch Ängstlichkeit und Paranoia können durch Vogelgesang gemildert werden. Dies haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in einem Test mit 295 Personen herausgefunden. Die Teilnehmenden hörten entweder sechs Minuten Verkehrslärm oder Vogelgeräusche und sollten danach einen Fragebogen ausfüllen und ihre mentale Gesundheit einschätzen. Das Ergebnis: Bei gesunden Menschen können Ängstlichkeit und Paranoia abnehmen, Verkehrslärm äußerte sich eher negativ auf den psychischen Zustand oder konnte ihn sogar noch verschlimmern.

Sarah arbeitet als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für „P.M.“ und „National Geographic“. Zum Journalismus kam sie über ihr Studium Modejournalismus / Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem beruflichen Weg sammelte sie auch Erfahrungen im Bereich Film und Fernsehen sowie im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.
Sarah arbeitet als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für „P.M.“ und „National Geographic“. Zum Journalismus kam sie über ihr Studium Modejournalismus / Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem beruflichen Weg sammelte sie auch Erfahrungen im Bereich Film und Fernsehen sowie im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.
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