(Text: Melanie Maria Obermeier)
Ein etwa 30 Meter breites, fast kreisrundes Loch klafft im rötlichen Wüstenboden Jemens. Es liegt im Barhout-Tal im Osten des Landes nahe der Grenze zu Oman. »Brunnen von Barhout« wird die Öffnung in der Erde genannt, bekannt ist sie aber vor allem unter ihrem düsteren Spitznamen: Brunnen der Hölle.
Lange Zeit war nicht bekannt, was sich in der dunklen Tiefe befindet. Denn Sonnenlicht reicht nicht weit in die Erdöffnung hinein. Wer davorsteht, starrt in pure Finsternis. Üble Gerüche steigen aus dem Loch empor. Wohl auch deshalb ranken sich viele Mythen und Legenden um den Brunnen von Barhout. Böse Geister sollen dort gefangen sein, genannt »Afarit«, die Allah aus Feuer geschaffen hat. Anderen Geschichten zufolge verbirgt sich in dem Abgrund die Pforte zur Hölle.
Brunnen der Hölle: Geologen fanden sich am Boden einer Millionen Jahre alten Höhle wieder
Nun hat ein Höhlenforschungsteam um den Geologen Mohammed al-Kindi aus Oman Licht ins Dunkel gebracht. Es seilte sich in die Bodenöffnung ab und fand sich am Boden einer Millionen Jahre alten Höhle wieder. Das Gewölbe ist bis zu 116 Meter breit, 112 Meter tief und durchzieht zwei Gesteinsschichten. Zwischen diesen sammelt sich Wasser und dringt dann in 46 Meter Höhe aus der Höhlenwand heraus. So plätschern im Inneren des Höllenbrunnens vier größere und viele kleinere Wasserfälle. Am Boden und an der Höhlendecke bilden sie Tropfsteine, von denen manche so hoch sind wie Einfamilienhäuser. Zusätzlich zieren Höhlenperlen in Grau- und Grüntönen den Boden: Dabei handelt es sich um runde Tropfsteine, die sich typischerweise um ein loses Sandkorn herum bilden, statt am Boden fixiert zu sein.
Die Höhlenforscher sahen zahlreiche Schlangen, Frösche, Eidechsen und Käfer, die zu diesem verborgenen Ökosystem gehören. Des Weiteren stießen sie auf verwesende Vögel, die wohl die Ursache für die üblen Gerüche sind. Hinweise auf eine Geisterwelt fanden sie nicht.
Der Artikel ist in der Ausgabe 07/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.