Dass die großen Raubkatzen gefährlich sein können, weiß jedes Kind. Dass man in ihren Revieren am Fluss Tsavo in Kenia besser vorsichtig ist, werden auch die Arbeiter gewusst haben, die im Jahr 1898 dorthin geschickt wurden, um eine neue Eisenbahnbrücke zu bauen. Was dann aber geschah, war so grauenerregend, dass es bis heute ohne Beispiel ist. Zwei Löwen töteten über einen Zeitraum von neun Monaten Dutzende Menschen. In der Nacht drangen sie in das Zeltlager der Eisenbahner ein und zerrten die Arbeiter aus ihren Schlafstätten, um sie dann in der Nähe des Lagers zu verspeisen. Nach den ersten Angriffen versuchten die Arbeiter das Lager mit Dornengestrüpp und mit dauerhaft brennenden Feuern zu sichern.
Doch die Löwen ließen sich nicht verscheuchen und griffen sich immer neue Opfer. Schließlich kamen die Bauarbeiten ganz zum Erliegen, da sich viele der Arbeiter weigerten, weiterhin in dem Camp zu bleiben. Erst nach Monaten gelang es einem britischen Offizier, John Henry Patterson, die beiden Löwen mit Gewehrschüssen zu erlegen. Die Körper der »Menschenfresser von Tsavo« wurden 1925 in das Field Museum of Natural History in Chicago überführt, wo sie seither immer wieder wissenschaftlich untersucht werden. Denn ihr Verhalten wirft bis heute Rätsel auf. Dass Löwen gezielt Menschen angreifen, um sie zu fressen, ist äußerst selten.
Eine aktuelle Studie, die in dem Fachjournal »Current Biology« veröffentlicht wurde, zeigt, dass sie sich ebenfalls von Giraffen, Zebras, Oryxantilopen und Gnus ernährten. Ein weiteres Detail brachte die Genanalyse der Tiere ans Licht: Die beiden mähnenlosen Tiere waren Brüder. Spuren von gegenseitiger Fellpflege lassen zudem darauf schließen, dass sie eine enge soziale Bindung hatten. Dazu gehörten offenbar auch gemeinsame Mahlzeiten: Menschen. (us)
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