Wer durch einen Wald läuft, merkt schnell, dass es dort anders riecht: Die Natur ist erfüllt von Tausenden Substanzen, die Bäume und Sträucher, aber auch Pilze und Bakterien produzieren und freisetzen.
Seit einiger Zeit untersuchen Ärzte verstärkt eine Untergruppe dieser Naturstoffe, die Terpenoide. Mehrere Zehntausend dieser Substanzen sind bekannt – und sie entfalten offenbar schon dann eine Wirkung, wenn wir sie nur einatmen.
Das fanden japanische Forscher in einer kleinen Studie heraus, für die sie Versuchspersonen jeweils drei Nächte im Hotel einquartierten. Einige schliefen in Räumen, in denen verschiedene Terpenoide zerstäubt wurden. Die Zimmer der anderen blieben unbehandelt. Das Ergebnis: Probanden, die in terpenhaltiger Luft geschlafen hatten, wiesen am letzten Tag deutlich mehr Immunzellen im Blut auf, die krankhaft veränderte Körperzellen erkennen und zerstören.
Der Effekt von einem Tag im Wald hält etwa eine Woche an
Und je länger ein Mensch terpenhaltige Waldluft aufnimmt, desto wirkungsvoller stärkt er offenbar sein Immunsystem. Das zeigten Forscher in einer anderen Studie: Wer einen Tag im Wald verbringt, hat anschließend fast 40 Prozent mehr jener Killerzellen im Blut – dieser Effekt hält etwa eine Woche an. Verbringt jemand zwei Tage im Wald, steigert sich die Zahl seiner Killerzellen gar um 100 Prozent, und es dauert einen ganzen Monat, bis das Niveau wieder sinkt. Bei Zellkulturen, die unter Laborbedingungen herangezogen wurden, konnten Wissenschaftler nachweisen, dass bestimmte Terpenoide Krebszellen abtöten.
Wer regelmäßig in der Natur unterwegs ist, kommt zudem mit vielen dem Körper fremden Mikroorganismen in Kontakt. Forscher gehen davon aus, dass unser Immunsystem davon profitiert: Zum einen lernt es auf diese Weise vermutlich besser, zwischen schädlichen und harmlosen Keimen zu unterscheiden. Zum anderen könnten manche dieser Bakterien der Körperabwehr helfen, besonders effizient zu arbeiten. In der mikrobiell ärmeren Umgebung der Städte gibt es diese hilfreichen Organismen meist in erheblich geringerer Zahl als in der Natur.
Der Artikel ist in der Ausgabe 06/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.