Sie fliegen haarscharf über unsere Köpfe, klauen Kindern die Eiswaffeln, reißen uns das Fischbrötchen aus der Hand oder machen sich über die Fritten am Nachbartisch her. Gegen die Dreistigkeit von Möwen scheint kein Kraut gewachsen. Doch das stimmt nicht, wie ein Forscherteam um die Biologin Neeltje J. Boogert von der englischen Universität Exeter herausgefunden hat. Diebische Möwen kann man sich ihrer Studie zufolge ganz leicht vom Hals halten: Man muss sie nur anstarren. Den direkten Blickkontakt mit Menschen finden die Vögel offenbar so unheimlich, dass sie ihre Beutezüge abbrechen und keinen Annäherungsversuch mehr starten.
Der Versuchsaufbau, den das Team um Boogerts wählte, war simpel: Die Forscher legten Chipstüten auf Strandpromenaden im englischen Cornwall aus, hockten sich in einer Entfernung von anderthalb Metern daneben und warteten. Dabei richteten sie ihre Augen auf die Tüten. Näherten sich Heringsmöwen, nahmen die Wissenschaftler unterschiedliche Haltungen an: Entweder blickten sie die Tiere direkt an – oder sie schauten demonstrativ zur Seite.
Die beste Strategie: dem Feind direkt ins Auge sehen
Beim frontalen Blickkontakt brauchten die Tiere deutlich länger, um sich dem Köder zu nähern – wenn sie es überhaupt taten. Denn, so ein verblüffendes Ergebnis des Experiments: Frech sind nur einzelne Tiere. Eigentlich wollten die Forscher 74 Vögel testen, doch der Großteil wagte sich erst gar nicht heran. Nur 27 Tiere starteten überhaupt einen Versuch, und von denen wiederum ließen sich gerade mal 19 Möwen in beiden Versuchsanordnungen testen.
Auf diesen 19 basieren nun die Studienergebnisse. Es zeigte sich, dass direkter Augenkontakt stets einschüchternd wirkt. Möwen, die sich heranwagten, taten dies deutlich verzögert. Sechs Vögel verzogen sich ganz, wenn sie angeschaut wurden; hatten die Forscher den Blick hingegen abgewandt, starteten sie einen Beutezug.
(Text: Katharina Jakob)
Der Text ist in P.M. Fragen & Antworten Ausgabe 09/2020 erschienen.