Der 20. Mai 2019 war ein Festtag für Maßeinheiten-Experten: Das Urkilogramm wurde in Rente geschickt. Das Kilogramm war die letzte Standardeinheit, die noch über einen Gegenstand definiert wurde. Der Klotz aus 90 Prozent Platin und zehn Prozent Iridium steht in einem Tresor in Paris und ist weltweit Referenz für jene Masse, die wir als ein Kilogramm kennen. Natürlich war nicht jede Marktfrau mit ihren Gewichten nach Paris zum Urkilo gefahren, um sie zu eichen. Kopien des Prototypen wurden nach festgelegten Verfahren hergestellt und in der Welt verteilt, um das Eichen von Waagen und Gewichten überall zu ermöglichen. Aber seit Jahren bemerkten Metrologen (Experten für Maßeinheiten): Die Masse des Urkilogramms und die Massen seiner Kopien wichen voneinander ab, bei manchen war der Unterschied 20 bis 50 Mikrogramm. Ein Fehler, der im Genauigkeitsbereich handelsüblicher Feinwaagen lag, also erheblich war. Auch wenn die Metallklötze wie rohe Eier behandelt wurden: Irgendwie schienen sie Atome zu verlieren, vielleicht durch Reaktion mit der Luft, genau weiß das niemand.
Das Urkilogramm gibt nicht länger vor, wie schwer ein Kilogramm tatsächlich ist
Die Folge: Wir brauchten eine neue, unveränderliche Referenz, an der wir definieren, was ein Kilo ist. Die Definition der Einheit für Masse sollte nun an eine Naturkonstante angelehnt werden. Das hatte schon beim Meter geklappt. Der »Urmeter-Stab« aus Metall wurde 1983 außer Dienst gestellt. Ein Meter ist seitdem mithilfe der konstanten Lichtgeschwindigkeit definiert als ein 299 792 458stel der Strecke, die Licht pro Sekunde zurücklegt. Beim Kilogramm orientierten sich die Experten an einem Wert aus der Quantenphysik, der Planck-Konstante. Mit einem immer gleichen Wert hilft sie, die Kräfte zwischen Teilchen zu beschreiben. Durch zwei aufwendige Experimente wurde sie über Jahre exakt bestimmt. Da die neue Definition aber der Masse des Urkilos sehr genau entspricht, ändert sich im Alltag nichts. Nur physikalische Experimente werden genauer. Und um verschwundene Atome müssen sich die Metrologen beim Kilo nun nicht mehr sorgen.
(Text: Jens Schröder)