Ein Start-up will mit Satelliten weltweit Brände aufspüren – und P.M. fliegt mit ins All

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Foto: © P.M.

Ein Münchner Start-up will mittels kleiner Satelliten weltweit Brände aufspüren. P.M. ist mit dabei

(Text: Alexander Stirn)

»Forest« reist mit kleinem Gepäck. Genauer gesagt: Er reist als kleines Gepäck. Als der Minisatellit Mitte September 2021 seine große Reise antritt, reicht ihm ein handlicher Plastikkoffer – nicht größer als jene Boxen, in denen Handwerker ihre Bohrmaschinen herumschleppen. Das Ziel seiner Reise: der Weltraum, wenn auch mit dem einen oder anderen Zwischenstopp.

»Forest« ist ein Unikat, zumindest derzeit noch. Er, dessen Start am 13. Januar geglückt ist, ist der erste Satellit des Münchner Start-ups OroraTech. Mit seiner Hilfe – und der vieler kommender winziger Satelliten – will das Unternehmen künftig Waldbrände aus dem All entdecken. Sie werden eine Ergänzung zu jenem Frühwarnsystem sein, das OroraTech bereits heute betreibt und das Forstbehörden von Kanada bis Tasmanien nutzen. Die Software greift auf Daten von Satelliten zurück, die bereits im All sind.

»Forest« – ein Akronym, gebildet aus dem sprachlichen Ungetüm »Forest Observation and Recognition Experimental Smallsat Thermal Detector« – ist ein Paradebeispiel für die neue Generation von Satelliten. Anstelle großer und teurer Kolosse ist heute die Devise: klein und günstig, zusammengeschraubt mit Bau- teilen aus dem Elektromarkt und somit schnell weiterentwickelbar. Wobei jener Winzling, der im September 2021 im schwarzen Hartschalenkoffer zu seiner großen Reise aufbrach, streng genommen gar kein Satellit war.

Noch nicht. Vielmehr handelte es sich um eine spezielle Infrarotkamera, die OroraTech entwickelt hat. »Forests« Schöpferinnen und Schöpfer sprechen von der Nutzlast, vom funktionalen Herz- stück eines jeden Satelliten. Für seine Hülle, für das Gehäuse mit Stromversorgung, Kommunikations- und Steuereinheiten, musste »Forest« noch einen Zwischenstopp einlegen: beim Satellitenbauer Spire in Glasgow.

Die reine Satellitentechnik lässt sich heute im Internet organisieren

Auch das ist Teil der neuen Raumfahrtwelt: Wer hoch hinauswill, wie das Münchner Team von OroraTech, muss sich um die reine Satellitentechnik nicht mehr unbedingt kümmern. Die lässt sich heute mit ein paar Mausklicks im Internet organisieren, in standardisierten Größen und mit standardisierten Anschlüssen.

Die eigens entwickelte wertvolle Nutzlast wird dann nur noch hineingeschoben – fast wie einst, in grauer Vorzeit, eine Kassette in einen Videorekorder. »Ursprünglich wollten wir schon den ersten Prototyp des Satelliten komplett selbst bauen«, sagt Björn Stoffers, einer der Gründer von OroraTech. »Schnell haben wir aber gemerkt, dass es besser ist, uns zunächst auf unsere Kerninnovation zu konzentrieren: auf die Nutzlast, auf unsere Kamera.«

Eine Konstellation aus etwa 100 Kameraaugen

Die Augen heutiger Satelliten sind nicht gemacht fürs Aufspüren von Waldbränden. Entweder sind die Späher in knapp 36 000 Kilometer Höhe unterwegs, im geostationären Orbit. Dort haben sie die Erdkugel zwar kontinuierlich im Blick, erreichen aber nur eine Auflösung der Erdoberfläche von maximal zwei Kilometern – zu wenig für die meisten Feuer. Oder sie rasen in wenigen Hundert Kilometern Höhe um den Globus, überfliegen aber jeden Ort in der Regel nur einmal pro Tag, noch dazu früh am Morgen. Nicht gerade die Zeit, zu der Waldbrände ausbrechen.

OroraTech will dem eine Flotte kleiner Satelliten entgegensetzen, eine Konstellation aus etwa 100 Kameraaugen. Verteilt um den Globus, sollen die Satelliten künftig spätnachmittags die irdischen Wälder überfliegen. Die Stückkosten liegen, so der Plan, bei weniger als einer Million Euro. »Eine Konstellation aus 100 unserer Satelliten ist somit billiger als ein heutiger großer Satellit«, sagt Stoffers.

OroraTech hat eine spezielle Infrarotkamera entwickelt.

Noch ist das Team davon weit entfernt. Noch muss es beweisen, dass sich die Technik derart gestört zu werden, kühlen andere Satelliten ihre Infrarotsensoren. Doch auf dem Volumen von drei Milchtüten – größer ist »Forests« Gehäuse nicht – bleibt dafür kein Platz. OroraTech hat deshalb eine ungekühlte Infrarotkamera entwickelt.

Auch sonst war Kreativität gefragt. Die Daten an Bord verarbeitet etwa eine handelsübliche Grafikkarte und keine millionenteure, speziell entwickelte Weltraumhardware. Das soll reichen, schließlich müssen die Konstellationssatelliten nur ein paar Jahre durchhalten, bevor sie – so die Idee – durch verbesserte Versionen ersetzt werden.

»Forest«, der erste, muss nun zeigen, dass all das funktioniert. Die Lehren aus seinen Ergebnissen fließen direkt in die Entwicklung des zweiten Satelliten ein. Geplanter Abflug: Ende 2022. »Das wird ein fließender Übergang«, sagt Stoffers. »Nach dem Start ist vor dem Start.«

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 des P.M. Magazins erschienen.

Über die Kooperation: Vor rund einem Jahr hörten wir zum ersten Mal vom Start-up OroraTech. Ihre Vision begeisterte uns: mit modernster Technik ins All fliegen, um von dort Probleme auf der Erde zu lösen. Ihre Vision wurde zu unserer. Daher begleiten wir OroraTech im Rahmen einer Medienpartnerschaft und lassen Sie, unsere Leserinnen und Leser, intensiver als gewöhnlich daran teilhaben. Werden Waldbrände durch den Klimawandel häufiger? Wie ändert sich die Satellitentechnologie? Wie verschiebt sich das Verhältnis zwischen staatlicher und privater Raumfahrt? Seien Sie ganz nah dabei, wenn wir über die nächsten Schritte der Satelliten auf dem Weg ins All berichten: im Magazin P.M., im Podcast »Schneller schlau«, auf unserer Website sowie in exklusiven Formaten.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.