(Text: Jenny Niederstadt)
Die Flecken von Giraffen, die Streifen von Zebras, die Punkte von Walhaien: Viele Tiere tragen Muster, anhand derer sich nicht nur die Art, sondern sogar Individuen identifizieren lassen. Auch die markanten Flossen von Walen und Delfinen nutzen Forschende, um einzelne Tiere zu erkennen. Doch dazu mussten sie bislang meist aufs Wasser fahren. Landtiere wiederum werden aufwendig markiert oder mit Sendern versehen, damit sich ihre Bewegungsmuster verfolgen lassen. Daten ganzer Herden oder sehr seltener Arten lassen sich so aber nur begrenzt erfassen. Dabei wären sie wichtig: Wer bedrohten Arten helfen will, muss wissen, wo sich Populationen befinden, ob sie wachsen oder schrumpfen.
Eine Lösung bietet die gemeinnützige Organisation »Wild Me«: Sie hat eine App entwickelt, die einzelne Tiere auf Fotos identifiziert. Die Software scannt die Bilder nach charakteristischen Mustern und gleicht sie mit einer Datenbank ab. Die GPS-Daten der Fotos liefern zudem Informationen über Standorte und Wanderrouten der Tiere.
sechs Millionen Fotos, 80 ForschuNgsarbeiten
Sechs Millionen Fotos wurden auf die Plattform der Initiative bislang hochgeladen, von Forscherinnen und Touristen, Tauchern, Schulkindern oder Naturfotografinnen. Einsortiert werden die Bilder in »Wildbooks«: Sammlungen zu 53 Tierarten. Bei Walen und Delfinen etwa identifizierte die App so bereits 68 400 Tiere auf mehr als zwei Millionen Bildern. Eine solche Zahl war mit früheren Methoden unerreichbar.
Und die Initiative zeigt bereits erste Effekte: So konnte Wild Me genauere Angaben zu Walhai-Beständen liefern, woraufhin deren Status auf der Liste der bedrohten Arten verschärft wurde. Anhand der Ferien- und Forschungsfotos sind zudem 80 wissenschaftliche Publikationen entstanden. Und Kenia zählt heute seine bedrohten Grevyzebras mithilfe des Programms.
Der Artikel ist in der Ausgabe 08/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.