(Text: Klaus Bachmann)
Für einen kurzen Hopser von 20 Sekunden reicht es schon. Das haben Forscher des Massachusetts Institute of Technology im amerikanischen Cambridge jüngst vorgeführt. Sie konstruierten eine Mikrodrohne aus Flügelpaaren, die sie Insekten abgeschaut haben. Der Clou aber steckt im Antrieb. Kein klassischer Elektromotor lässt die Flügel 400-mal pro Sekunde schlagen – der wäre viel zu schwer. Sondern ein ultraleichter »dielektrischer Elastomer-Aktor« (DEA).
Für den DEA legten die Wissenschaftler eine Schicht elastischen Kunststoffs zwischen zwei Elektroden aus Kohlenstoffröhren, die nur einen Millonstelmillimeter fein sind, und rollten den Mikrostapel auf wie einen Mohnstrudel. Wenn die Elektroden unter Spannung stehen, pressen sie das Elastomer zusammen, das ausweicht und sich ausdehnt wie ein Hefeteig, der in die Breite geht, wenn man auf ihn drückt. Schaltet man die Spannung ab, schnappt das Elastomer zurück. Diese Formveränderung wird in Bewegung umgesetzt wie die Kontraktion und Entspannung beim Muskel und dann auf die Flügel übertragen.
Je mehr lagen der Muskelmotor hat, desto leistungsfähiger ist er
Die Herausforderung bestand darin, möglichst dünne Schichten des Elastomers herzustellen, um möglichst viele Lagen stapeln zu können. Je mehr Lagen der Muskelmotor hat, desto leistungsfähiger ist er. Für die aktuelle Version konnten die Wissenschaftler 20 Lagen zusammenpacken, jede mit zehn Tausendstelmillimetern so dick wie der Durchmesser eines roten Blutkörperchens. Bei diesen winzigen Dimensionen kann schon ein Staubkorn stören. Deshalb wollen die Roboterbauer die künstlichen Muskeln künftig in einem Reinraum herstellen und so die Dicke der Elastomerschichten auf einen Tausendstelmillimeter reduzieren. Dann können vielleicht wirklich eines Tages Massen insektengroßer Maschinchen durch zerstörte Gebäude schwärmen und nach Vermissten suchen – so jedenfalls stellen sich die Forscher eine mögliche Anwendung vor.
Der Artikel ist in der Ausgabe 09/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.