OroraTech: Der erste Satellit ist oben

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Die Falcon 9 stieß »Forest« eine Stunde nach dem Start aus und platzierte ihn in einer sonnensynchronen Umlaufbahn. Kurze Zeit später gelang der erste Kontakt zum Satelliten Foto: © ddp
Der erste Satellit von OroraTech kreist um die Erde. Doch wie hat das Start-up ihn dort hinbekommen?

(Interview: Alexander Stirn)

Mitte Januar 2022 hat eine Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX 105 Satelliten auf einmal in den Weltraum transportiert. Darunter: der Satellit »Forest«, der Prototyp einer neuen Generation kleiner Satelliten, mit denen das Münchner Start-up OroraTech künftig Waldbrände aus dem All erkennen will. Über den Prototyp hatte P.M. in der Ausgabe 02/2022 berichtet. Im Interview erklärt der Technikchef von OroraTech, Martin Langer, wie das Start-up seinen Satelliten ins All brachte.

P.M.: Herr Langer, wie einfach war es, Ihren ersten Satelliten in den Orbit zu bekommen?

Langer: Sehr einfach. Mitfluggelegenheiten bei Raketenstarts – im Fachjargon heißt so etwas Rideshare-Missionen – lassen sich heutzutage mehr oder weniger übers Internet buchen.

Als würde man online ein Ticket für ein Flugzeug buchen, bloß hier für eine Trägerrakete?

Ganz so einfach wie ein Flugticket nach New York ist es zwar nicht, aber beinahe. In der Regel veröffentlichen die Vermittler solcher Startgelegenheiten auf ihren Websites Listen mit anstehenden Raketenstarts und den geplanten Umlaufbahnen. Dort muss man nur noch eingeben, wie groß der eigene Satellit ist und was man benötigt – schon wird man kontaktiert. Kommt der Vertrag zustande, organisiert der Anbieter alles: Planung, Genehmigungen für den Start, Transport zum Startgelände bis hin zum Einbau des Satelliten in die Rakete.

Das heißt, mit SpaceX selbst hatten Sie gar nichts zu tun?

Nein, für die sind wir mit unseren sehr kleinen Satelliten uninteressant. Die beginnen erst ab Massen von vielleicht 100 Kilogramm, direkt mit der Kundschaft zu sprechen. Für kleinere Fracht gibt es eben die vermittelnden Firmen, die Launch-Broker. Die wollen natürlich ein bisschen Geld verdienen, aber für uns machen sie die Sache sehr einfach, da wir uns um nichts kümmern müssen.

Der Ingenieur Martin Langer ist Technischer Direktor der Firma OroraTech
Foto: © OroraTech

Wie viel hat Sie all das gekostet?

Für einen Cubesat – das ist quasi die Standardeinheit kleiner Satelliten: ein Würfel mit zehn Zentimeter Kantenlänge und einer Masse von einem Kilogramm –, liegt der Marktpreis bei etwa 50 000 bis 60 000 Euro. Das heißt aber nicht, dass unser Satellit, der aus drei solchen Einheiten besteht, das Dreifache gekostet hat. Denn in diesen 50 000 bis 60 000 Euro sind auch die Dienstleistungen des Brokers enthalten, und die fallen nur einmal an. Etwas vereinfacht gesagt: Je mehr Masse man bucht, umso günstiger wird der Preis pro Kilogramm.

Können Sie bei den Brokern auch Präferenzen angeben, zum Beispiel: Ich will nicht oder ich will unbedingt mit SpaceX fliegen?

Ja, und unsere Präferenz war jetzt und ist es auch in Zukunft: Wir wollen nicht zu lange auf einen Start warten. Unsere kleinen Satelliten haben den großen Vorteil, dass wir sie schnell bauen und – basierend auf den Erfahrungen im All – auch schnell verbessern können. Müssten wir zwei Jahre lang auf einen Start warten, wäre dies kontraproduktiv. Das schließt manche Trägerraketen und manche Missionen aus.

Welche?

Oft können beim Start sehr großer Satelliten auch ein paar kleine mitfliegen. Kommt es beim großen Satelliten allerdings zu Verzögerungen, wird auf ihn gewartet. Da können wir als Anhängsel nicht sagen: Wir wollen jetzt aber fliegen! Daher bevorzugen wir Raketen, die öfter starten und die zuverlässig zum geplanten Termin abheben – wie SpaceX.

Aber auch SpaceX war in der Vergangenheit wegen Abstürzen schon zu längeren Pausen gezwungen.

Das Schöne an den Brokern ist: Wir können, sollte es zu größeren Verzögerungen kommen, auf andere Startmöglichkeiten wechseln. Cubesats wie unser Satellit sind hierzu in Standardboxen untergebracht, die auf verschiedensten Raketen starten dürfen.

Nach dem erfolgreichen Start des Prototyps wollen Sie in den kommenden Jahren einen Schwarm, eine Konstellation aus etwa 100 Satelliten, losschicken. Wie werden die ins All kommen?

Da sind wir offen, da schauen wir uns alle Möglichkeiten an. Das können klassische Rideshare-Missionen sein wie jetzt mit SpaceX, bei denen alle mitfliegenden Satelliten am Ende der Mission einfach ausgesetzt werden. Es gibt aber auch Firmen, die mit einem Orbital Tug fliegen – einer Art Taxi, das auf die Spitze einer Rakete gesetzt wird und verschiedene Satelliten direkt in die richtigen Bahnen bringt. Oder wir kaufen uns Microlauncher, kleine Raketen, die nur für uns starten und dabei genau die Zahl an Satelliten ins All bringen, die wir pro Umlaufbahn brauchen.

Auf welcher Basis wird letztlich die Entscheidung fallen?

Der Preis wird sicherlich ein wichtiger Faktor sein, aber auch die Zuverlässigkeit einer Rakete und die Wahrscheinlichkeit, zum anvisierten Zeitpunkt auch abheben zu können. Ich könnte mir sogar vorstellen, verschiedene Optionen zu wählen: ein paar Starts mit bewährten Raketen und ein paar mit neueren, riskanteren, dadurch aber auch günstigeren Anbietern. So können wir das Risiko breit streuen.

Das Interview ist in der Ausgabe 03/2022 von P.M. erschienen.

Night, Outdoors, Nature
Foto: © P.M.

Über die Kooperation »P.M. FLIEGT INS ALL«: Als wir zum ersten Mal von OroraTech hörten, begeisterte uns die Vision des Münchener Startups: Mit modernster Technik ins All fliegen, um von dort Probleme auf der Erde zu lösen. Ihre Vision wurde zu unserer. Daher begleiten wir OroraTech im Rahmen einer Medienpartnerschaft und lassen Sie, unsere Leserinnen und Leser, intensiver als gewöhnlich daran teilhaben. Werden Waldbrände durch den Klimawandel häufiger? Wie ändert sich die Satellitentechnologie? Wie verschiebt sich das Verhältnis zwischen staatlicher und privater Raumfahrt? Seien Sie ganz nah dabei, wenn wir über die nächsten Schritte der Satelliten auf dem Weg ins All berichten: im Magazin P.M., im Podcast »Schneller schlau«, auf unserer Website sowie in exklusiven Formaten.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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