Seit wann gibt es in Deutschland Videokonferenzen?

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Foto (C): Technikforum Backnang
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Gerade in der Coronazeit sind Videokonferenzen nicht mehr wegzudenken. Für viele ist das neu, aber in manchen Bereichen wird schon seit Jahren so kommuniziert.

Viele Menschen entdecken zwar gerade erst, wie gut Apps für Videotelefonate und -konferenzen funktionieren: Während der Coronakrise halten sie damit Kontakt zu Freunden und Kollegen, Verwandten und Geschäftspartnern. Multinationale Firmen aber nutzen die Technologie bereits seit knapp 40 Jahren: 1983 startete die Deutsche Bundespost Bigfon, das »Kommunikationssystem der Zukunft«. Während der Funkausstellung in Berlin lud sie im September 1983 Geschäftsleute in Hamburg, Berlin und Frankfurt ein, in eigens dafür eingerichteten Studios erste Videokonferenzen abzuhalten. Zehn Tage konnten die Manager das System testen und sahen wackelige Livebilder in Schwarz-Weiß. »Spektakulär«, urteilte die Presse damals.

Videokonferenzen sind die Lösung, um online effizient die Zusammenarbeit im Home Office zu gestalten

Möglich machten das die ersten Glasfaserkabel, die immer mehr deutsche Großstädte miteinander verbanden. Entlang der Trassen eröffnete die Post in den Folgejahren weitere Studios für Videokonferenzen, etwa in Hannover und Stuttgart, München und Düsseldorf. Firmen konnten sich dort einmieten, doch die Nutzung war teuer: Eine Stunde Livedebatte kostete zwischen 800 und 1200 D-Mark, also etwa 400 bis 600 Euro. Wer ein Studio auf dem eigenen Firmengelände wünschte, musste sogar bis zu eine Viertelmillion Euro investieren. Doch Unternehmen mit weitverzweigten Standorten oder mit Geschäftspartnern in entfernt gelegenen Regionen hofften, durch die neue Technologie Reisekosten einzusparen. Autobauer Ford zum Beispiel stimmte in den 1980er-Jahren mit dem System seine Produktion zwischen Köln und London ab: Zweimal täglich konferierten die Kollegen damals miteinander per Video.

Die Studios selbst glichen kleinen Chefzimmern: Um einen sechseckigen Konferenztisch standen schwere Drehsessel, im Hintergrund waren Stofftapeten und Vorhänge drapiert. Zwei Kameras waren auf die Gesprächsteilnehmer am Tisch gerichtet, eine weitere Kamera filmte die Grafiken, Bilder oder Produkte, über die am Konferenztisch debattiert wurde. Eine elektronische Tafel übertrug außerdem Zeichnungen, noch während sie entstanden – in der Anwendung glich Bigfon bereits heutigen Konferenzsystemen. Niemals aber hätten die damaligen Entwickler mit den aktuellen Zugriffszahlen gerechnet: Maximal 1500 Interessenten gebe es in Deutschland, erklärten die Marketingexperten der Post im Jahr 1983.

Auf dem Artikelbild sehen Sie Mitarbeiter in der einstigen Bigfon-Zentrale.

(Text: Jenny Niederstadt)

Dieser Artikel ist in P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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