Sind Singstimmen objektiv schön?

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Singstimme objektiv schön
Foto: Drazen // Adobe Stock
Gibt es Singstimmen, die wir wirklich alle schön finden oder spielt auch immer eine subjektive Wahrnehmung eine Rolle?

Niemand würde der britischen Sängerin Adele oder dem kanadischen Sänger Michael Bublé wohl eine schlechte Stimme attestieren. Natürlich gibt es objektive Kriterien für wohlklingenden Gesang. Die Töne zu treffen und sie auch halten zu können hilft zum Beispiel, aber auch gewisse Frequenzen werden von Hörern als angenehmer empfunden als andere. Und dennoch zeigt eine Studie des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik, dass auch für Singstimmen gilt: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Beziehungsweise in diesem Fall im Ohr des Zuhörers.

Ein Forschungsteam um die Neurowissenschaftlerin Camila Bruder befragte 368 Testpersonen nach ihren persönlichen Vorlieben bezüglich der Gesangsstimme. Die Probanden aus den USA und Deutschland bewerteten dazu Gesangsproben von 16 ausgebildeten Sängerinnen, insgesamt 96 verschiedene Versionen der Lieder »Don’t worry, be happy« und »Over the rainbow«. Dann verglichen die Forscher die angegebenen Präferenzen mit objektiven Stimmmerkmalen wie Tempo, Atemtechnik, Vibrato und Tontreue. Zudem glichen sie die Vorlieben mit der jeweiligen Lebenssituation des Probanden ab: etwa kultureller und sozialer Hintergrund, Musikerfahrung und Alter. Und sie führten einen Persönlichkeitstest durch, um den Charakter desjenigen zu ergründen.

Am Ende ermittelten die Forscher, dass die objektiven Stimmeigenschaften nur zu etwa drei Prozent die jeweilige persönliche Bewertung erklären konnten. Der Einfluss der subjektiven Faktoren dagegen – Hintergrund und Charakter – lag bei satten 43 Prozent. Vielleicht ist also auch dies ein Grund dafür, dass die Sängerinnen und Sänger mit den vermeintlich schönsten Stimmen nicht immer den größten Anklang finden. Es ist ein bisschen wie bei der bildenden Kunst: Natürlich gibt es objektive Kriterien wie den Goldenen Schnitt, angenehme Farben oder eine gewisse Symmetrie. Doch ob ein Betrachter ein Bild schön findet, liegt am Ende vor allem an ihm selbst.

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