Spätabends ewig am Smartphone hängen oder die komplette Serienstaffel auf einmal gucken, obwohl morgens um sechs der Wecker klingeln wird: Diese »Aufschieberitis« ist weitverbreitet. Eine neuere Ausprägung der altbekannten »Ich will noch nicht ins Bett«-Problematik ist das, was neuerdings »Revenge Bedtime Procrastination« genannt wird – die Rache der Nachteule sozusagen.
Genauer gesagt: Weil alle an uns zerren und ziehen und wir am Ende des Tages nicht wissen, wo unsere Zeit geblieben ist, »klauen« wir uns im Schutz der Dunkelheit noch das ein oder andere Stündchen zurück. So holen wir uns, was uns tagsüber verwehrt wurde: kostbare Momente nur für uns selbst. Die »Rache« geht natürlich nach hinten los, sind doch die gesundheitlichen Folgen von langfristig zu wenig Schlaf so bekannt wie erheblich: Fahrigkeit und miese Stimmung, Antriebslosigkeit, Übergewicht und mehr – sowie ein Teufelskreis aus alldem.
Was man dazu sagen sollte: Die Wendung von der Schlafverknappung im Sinne eines selbstausbeuterischen Vergeltungsfeldzugs stammt ursprünglich aus China, dort wurde sie schon vor einigen Jahren geprägt. Allerdings vor dem Hintergrund des sogenannten »996er«-Arbeitsrasters: Sechstagewoche, jeweils von neun bis 21 Uhr. Wer sich bei einem solchen Pensum noch ein Privatleben wünscht, hat so wenig Spielraum, dass er oder sie sich die nötige Zeit nur vom Schlaf abzwacken kann.
Abgesehen von solch einem Szenario gibt es durchaus noch andere Erklärungen für die Neigung, die Schlafenszeit zugunsten belangloser Aktivitäten immer weiter nach hinten zu verschieben, obwohl man längst hundemüde ist. Etwa die leidige »Intentions-Verhaltens- Lücke«, wie es in der Psychologie heißt – der Volksmund kennt als Entsprechung den »inneren Schweinehund«. Der ist bekanntlich ein heftiger Fürsprecher nächtlichen Medienkonsums.