Wer waren die Radium Girls?

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Arbeiterinnen in einer Uhrenfabrik 1932 beim Bemalen von Zifferblättern: Radioaktive Stoffe in der Farbe ließen Zahlen und Zeiger nachts leuchten Foto: © SZ Photo
Anfang des 20. Jahrhunderts wurden von den »Radium Girls« Zifferblätter von Uhren per Hand mit einer leuchtenden Farbe bepinselt. Was die Farbe leuchten ließ, wussten alle: Ihr war Radium beigemischt, eine radioaktive Substanz

(Text: Sven Stillich)

Sie waren jung, der Job war nicht schwer, und sie verdienten gutes Geld, wenn sie schnell waren. Die Arbeiterinnen mussten einfach immer wieder einen Pinsel mit ihren Lippen anspitzen und dann in die Farbe tunken, mit der sie die feinen Zifferblätter der Uhren malen sollten – in diese faszinierende Farbe, die im Dunkeln leuchtete. Die war der letzte Schrei Anfang des 20. Jahrhunderts. Manche der Frauen malten sogar ihre Fingernägel mit »Undark« an, so hieß die Farbe. Nur in den Kinos wunderte man sich über die leuchtenden Arbeiterinnen, ihre Partner hatten sich schon daran gewöhnt, dass es nachts im Bett nie ganz dunkel wurde. Was die Farbe leuchten ließ, wussten alle: Ihr war Radium beigemischt, eine radioaktive Substanz. Das war nicht unüblich. Damals gab es sogar Unterhosen und Kondome mit Radium. Dass das gefährlich sein könnte, ahnte man nicht. Einen Schutz für die »Radium Girls« gab es nicht, die Chemiker der Firma nutzten allerdings Bleischürzen und Masken. Bis zu 250 Uhren schafften schnelle Arbeiterinnen pro Tag.

Die Gefahren des Materials wurden lange unterschätzt: Sogar Broadway-Musicals spielten mit der Faszination für den leuchtenden Wunderstoff Foto: © Getty Images

Immer mehr »Radium Girls« wurden krank und starben

Dann wurden die ersten Frauen krank bei der United States Radium Corporation, bald immer mehr. Ihnen fielen die Zähne aus. Ihre Kiefer wurden spröde und brachen. Oder ihre Wirbelsäule. Das Radium hatte sich in den Knochen festgesetzt. Dann starben die ersten Frauen. 1927 verklagte Grace Fryer den Konzern auf eine Millionensumme. Die Anwälte der Firma gaben alles, doch der Prozess endete mit einem Vergleich. Jedes »Radium Girl« bekam (nach heutigem Kurs) etwa 150 000 US-Dollar und eine lebenslange Rente.

Der Fall hatte große Auswirkungen auf den Rechtsschutz von Arbeitenden in den USA, die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen wurden stark verbessert. Auch kulturell fand der Kampf der Arbeiterinnen seinen Niederschlag. 2020 erschien ein Spielfilm und erst kürzlich im Carlsen Verlag eine dokumentarische Graphic Novel zum Thema.

Der Artikel ist in der Ausgabe 08/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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