Der politische Brexit wurde im Jahr 2016 von Großbritanniens damaligem Premier David Cameron wohl eher unabsichtlich ins Rollen gebracht, am 31. Januar 2020 erfolgte dann der Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU.
In geografischer Hinsicht hat der Brexit allerdings einen Vorgänger: Vor 450000 Jahren begann die Landbrücke aus Kalkgestein, die das europäische Festland mit dem heutigen Inselstaat verbunden hatte, zu zerbröckeln. Wie Geologen vom Imperial College in London mithilfe von Sonarmessungen und seismischen Untersuchungen herausfanden, verlief dieser Brexit alles andere als »harmonisch«, gleich zwei extreme geologische Ereignisse zerstörten die Verbindung zwischen Dover und Calais.
Die Kreidefelsen bei Dover sind ein Wahrzeichen Englands und Zeugnisse des ersten Brexits
Erst erodierten Schmelzwasserfälle die Brücke aus Kalkgestein. Dann brach der Damm, und eine Sturzflut grub tiefe Kanäle in den Untergrund der Landbrücke. Ausgelöst wurde der zweistufige Prozess durch das Schmelzen der bis dahin gefrorenen Nordsee zwischen Großbritannien und Skandinavien – das Wasser brachte den eiszeitlichen See, der das Gebiet der heutigen südlichen Nordsee bedeckte, zum Überlaufen. Nachdem gewaltige Wasserfälle über die Kante der Kreidebrücke gelaufen waren, wurde der darunterliegende Felsboden erodiert.
Zeugnisse dieses Geschehens sind grubenförmige Vertiefungen von mehreren Kilometer Durchmesser im Fosse Dangeard, einem großen Tal im Boden der heutigen Straße von Dover. Vor ungefähr 160000 Jahren, gegen Ende der Kaltzeit, löste der maximal angestiegene Wasserspiegel der Nordsee dann eine Megaflut mit verheerenden Überschwemmungen aus, der Talboden wurde komplett geflutet. Das beweist, so die Forscher, eine zweite Struktur am Kanalgrund. Durch die Flut kam es zum endgültigen Bruch der Kalksteinbrücke, die noch zum Kontinent reichte – die Hauptinsel Großbritanniens wurde zur neuntgrößten Insel der Welt und größten Europas.
(Text: Elena Rudolph)
Dieser Artikel ist in P.M. Fragen & Antworten 07/2020 erschienen.