Wie können wir unsere Gene heilen?

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Foto (C): Science Photo Library
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Gentherapien kommen bei seltenen Erkrankungen zum Einsatz, bei denen jeweils nur ein Gen defekt ist. Was ist möglich und wie funktioniert eine Gentherapie?

Seit Wissenschaftler den genetischen Bauplan des Menschen entziffert haben, hegen sie einen Traum: Erkrankungen an der Wurzel zu packen, in der menschlichen Erbsubstanz. Anstatt Krebszellen mit Chemotherapeutika anzugreifen, Diabetespatienten Insulin zu spritzen oder Menschen mit schweren Erbkrankheiten mit Bluttransfusionen am Leben zu halten, lautet das Ziel der Gentherapie, die Fehler in der DNA zu beheben, die Krankheiten auslösen.

Die Vision: DNA korrigieren

Erste Versuche, Gene zu heilen, scheiterten allerdings in den 1990er-Jahren. Wissenschaftler mussten feststellen, dass sie die Risiken, die eine therapeutische Veränderung des genetischen Bauplans mit sich bringt, noch nicht genau verstanden. Doch viele Forscher hielten an der Vision fest, die DNA zu korrigieren, und verbesserten entscheidende Grundlagen.

Heute ist die Gentherapie keine Fiktion mehr. Genetische Behandlungen gegen schwere Erberkrankungen, wie die Blutkrankheit Thalassämie oder eine bestimmte Form der Erblindung sind im klinischen Alltag angekommen, wenngleich auch nur in kleinen Studien mit wenigen Patienten. Es geht vor allem um Krankheiten, bei denen nur ein einziges Gen defekt ist. Ziel einer Gentherapie ist es, das betreffende Gen zu ersetzen, also Erbinformationen in die Zellen einzuschleusen, die dem Körper fehlen, um reibungslos zu funktionieren. Ein gutes Beispiel ist die Blutkrankheit Thalassämie. Da besitzen die Betroffenen – etwa 500 Menschen in Deutschland – keinen funktionstüchtigen Bauplan für den Blutfarbstoff Hämoglobin. Den brauchen die roten Blutkörperchen aber, um Sauerstoff zu transportieren. Und so benötigen die Patienten mit Thalassämie regelmäßig Bluttransfusionen.

Gentherapien sind sehr aufwendig

Bei der Gentherapie werden diesen Patienten nun Blutstammzellen entnommen. Im Labor schleusen die Ärzte dann ein Stück DNA in die Zellen, das den korrekten Bauplan für das Hämoglobin – beziehungsweise für eine Untereinheit davon – enthält. Die behandelten Stammzellen werden dann vermehrt und dem Patienten verabreicht. Die Zellen können jetzt den neuen DNA-Abschnitt ablesen – und das heißt, alle roten Blutkörperchen, die aus diesen Stammzellen hervorgehen, können selbst funktionstüchtiges Hämoglobin herstellen. Diese Therapie bei den Menschen mit Thalassämie ist aufwendig und belastend.

Bevor die Patienten die neuen, genveränderten Stammzellen bekommen, wird erst einmal ihr Knochenmark durch eine Chemotherapie ausgeschaltet, denn aus diesem Knochenmark kommen ja die defekten Stammzellen. Wenn dann aber die neuen Zellen tatsächlich »anspringen«, ist das der gewünschte Erfolg. Bislang wurden rund 50 Patienten behandelt, vor allem am Uniklinikum Heidelberg, von diesen brauchen etwa 80 Prozent keine Transfusionen mehr.

Winzige Helfer: „Gentaxis“

Entscheidend für die Zulassung von Gentherapien war, dass die Wissenschaftler die Transportmittel, mit denen die neue genetische Information in die Zelle gelangt, stark verbessern konnten. In den meisten Fällen sind derartige »Gentaxis« abgeleitet von Viren, aus denen Forscher alle krank machenden Komponenten entfernen. Trotzdem behalten die winzigen Helfer ihre Fähigkeit, Erbsubstanz in eine Wirtszelle einzuschleusen.

Mit den Gentaxis kann man aber nicht nur Zellen in der Petrischale im Labor verändern. Man kann sie auch direkt in den Körper spritzen. Das wird beispielsweise bei Erkrankungen gemacht, bei denen ein Gendefekt Zellen der Netzhaut absterben lässt, die Patienten also langsam blind werden. Dabei geben Mediziner die veränderten Viren ins Auge, und sie liefern eine intakte Kopie des Gens in den kranken Nervenzellen ab.

Darüber hinaus gibt es auch noch andere Verfahren. In Deutschland sind laut Paul-Ehrlich-Institut, der zuständigen Regulationsbehörde, derzeit sieben Gentherapeutika zugelassen, alle für seltene Erkrankungen.

(Text: Andrea Bannert / Redaktion)

Der Artikel ist in der Ausgabe 10/2020 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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