Die Frage mag zunächst seltsam klingen, sie hat aber ihre Berechtigung. Denn man weiß seit Jahrzehnten, dass der Körper Botenstoffe produzieren kann, die starke Schmerzen schnell und wirksam senken. Unser Gehirn gleicht sozusagen einer mobilen Hochleistungsapotheke. Doch stellen wir uns eigentlich selbst das Rezept aus für diese körpereigenen Schmerztabletten? Eine Möglichkeit dafür hat jetzt ein Forschungsteam von Hochschulen aus Brasilien, Argentinien und Neuseeland in einer Krankenhausstudie entdeckt. Teilnehmende waren Kinder, die auf einer Intensivstation lagen. Jedes der Kinder bekam dabei für 30 Minuten Besuch von einer erwachsenen Person, die mehrjährige Erfahrungen im Geschichtenerzählen hatte.
Die jungen Patientinnen und Patienten durften eine von zehn fröhlichen Geschichten auswählen, die danach vorgelesen wurde. Wie würde sich dieses Erlebnis auswirken? Um das zu messen, nahm man davor und danach eine Speichelprobe von den Kindern und stellte ihnen verschiedene Fragen, unter anderem zu den Schmerzen, die sie gerade hatten. Das Ergebnis war eindeutig: Eine halbe Stunde nach dem Hören der Geschichte waren die Schmerzen der Kinder deutlich zurückgegangen, in ihrem Körper befanden sich außerdem viel weniger Stresshormone. Eine Erklärung: Im Speichel der jungen Testpersonen konnten die Forschenden auch einen stark erhöhten Pegel des Bindungshormons Oxytocin messen. Seit Jahren ist bekannt, dass Oxytocin Stress senkt und schmerzlindernd wirkt.
Doch lag all das wirklich an der erzählten Geschichte – oder vielleicht doch an der Tatsache, dass die Kinder überhaupt Zuwendung und Ablenkung erlebt hatten? Man wiederholte den Versuch mit weiteren Kindern. Diesmal spielten die Erwachsenen lustige Rätselspiele, statt etwas vorzulesen. Auch das half ein wenig – aber signifikant weniger als das Geschichtenerzählen. Fazit: Wenn wir die Schmerzen eines Menschen ohne Tabletten lindern wollen, kann eine gute Geschichte wertvolle Hilfe leisten.