Europas »Klimaschaukel«: Wie das Azorenhoch und Islandtief unser Wetter beeinflussen

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Flare, Light, Nature
Foto (C): Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks
Sie sind Europas wichtigste Wettermacher: das Azorenhoch und das Islandtief. Wir erklären, wie das schwankende Luftdruckverhältnis zwischen ihnen unser Wetter beeinflusst

(Text: Minerva Fois)

Beobachtet wurde das erstaunliche meteorologische Phänomen schon im 18. Jahrhundert: Je erbarmungsloser die Winterkälte in Ländern wie Deutschland oder Dänemark, desto milder war zur gleichen Zeit das Wetter auf der Insel Grönland. Herrschte dort dagegen schneidender Polarfrost, war es bei uns gut auszuhalten. Eine echte »Klimaschaukel« also. Inzwischen weiß man, was dahintersteckt: die »nordatlantische Oszillation«, kurz NAO. Der Begriff bezeichnet das schwankende Luftdruckverhältnis zwischen Europas wichtigsten Wettermachern: dem Azorenhoch und dem Islandtief.

Der NAO-Index und unser Wetter

Die beiden Luftdrucksysteme sind jeweils nach ihrem Entstehungsgebiet im Atlantischen Ozean benannt. Das Azorenhoch steht für wolkenlosen Lufthochdruck. Die Tiefs aus Island stellen mit ihren Niedrigdrücken einen Kontrast dazu dar. Starkes Hoch plus starkes Tief: Bei dieser Konstellation ist der »NAO-Index« positiv. Dadurch bekommt der Westwind ordentlich Schub. Für das Wetter in Mitteleuropa heißt das: Es wird wechselhaft, aber mild. In arktischen Gefilden ist es unterdessen knackig kalt. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: Bei einem negativen NAO-Index liegen die Luftdrücke von Azorenhoch und Islandtief näher beieinander, weil beide Drucksysteme schwach ausgeprägt sind. Dadurch flaut der Westwind in Richtung Europa ab – zugunsten von anderen Luftströmungen. Die kommen im Winter aus dem kalten Norden oder im Sommer aus dem heißen Süden – und neigen dazu, sich bei uns festzusetzen: als langer, eisiger Winter oder als wüstenheißer Sommer.

Mit dem Klimawandel schwindet in der Arktis zunehmend das Meereis. Das lässt den Luftdruckunterschied zwischen Azorenhoch und Islandtief in Zukunft wohl eher kleiner als größer ausfallen. Damit könnte uns der Westwind, der bislang das Klima in Europa prägt, womöglich immer öfter empfindlich fehlen. Denn der bringt uns zwar Schmuddelwetter – aber eben auch den dringend benötigten Regen und milde Temperaturen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 06/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.