Wofür steht der Mikromort?

von
Foto (C): imago/Ikon Images
Wann uns der Tod wahrscheinlich ereilt, wollen wir am liebsten nicht wissen. Es gibt aber Menschen, die sich damit beschäftigen, Mathematiker zum Beispiel. Die Einheit dafür: Mikromort

(Text: Dieter Möller)

Es ist ein Thema, über das wir nicht gerne sprechen: der Tod. Wann er uns wahrscheinlich ereilt, wollen wir am liebsten nicht wissen. Es gibt aber Menschen, die sich damit beschäftigen, Mathematiker zum Beispiel. Sie berechnen vieles – auch das Risiko, an einem Tag ums Leben zu kommen. Die Einheit dafür heißt Mikromort, was »kleiner Tod« bedeutet. Ein Mikromort entspricht der Wahrscheinlichkeit von eins zu einer Million, dass ein bestimmtes Handeln zum Tod führt.

»Bei einem durchschnittlichen 25-Jährigen ist das tägliche Todesrisiko etwa ein Mikromort«, sagt Christian Hesse, Mathematikprofessor an der Universität Stuttgart, der für diese Berechnungen eine besondere Leidenschaft entwickelt hat. Den Datensatz entnimmt er den regelmäßig aktualisierten Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes. Darin wird festgehalten, wie viele Neugeborene eines Jahrgangs im Alter von x Jahren noch leben, für verschiedene x-Werte. »Daraus kann man die jährliche Sterblichkeitsrate für jede Altersklasse errechnen und diese dann auf einen Tag herunterrechnen«, erläutert Hesse.

Das Todesrisiko verdoppelt sich alle sieben Jahre

Studien über das Risiko des Rauchens besagen, dass Menschen, die mit 17 Jahren beginnen, jeden Tag mindestens 15 Zigaretten zu rauchen, im Schnitt sieben Jahre an Lebenszeit einbüßen. Hesse rechnet vor: Umgerechnet auf eine einzelne Zigarette bedeutet dies, dass sie das Leben im Schnitt um elf Minuten verkürzt. Drei Zigaretten ergeben dann etwa eine halbe Stunde. Das ist genau die Zeit, die ein Mikromort das Leben statistisch gesehen verkürzt.

Wer regelmäßig raucht und Alkohol trinkt, füllt auf Dauer immer mehr seinen »Mikromort-Rucksack«. Anders ist es zum Beispiel beim Gleitschirmfliegen (acht Mikromort pro Flug). Laut Hesse betragen die Werte beim Fahrrad-, Auto- und Bahnfahren je ein Mikromort pro 15, 500 und 10.000 Kilometer. Diese Werte häufen sich nicht an, gelten nur für die Zeit der Aktivität. Nützlich sind die Berechnungen für Versicherungen. Sie können damit etwa das Risiko von Operationen bewerten. Oder mit einer einheitlichen Größe vergleichen, wie sich zum Beispiel die Luftverschmutzung von Städten auf die Lebenserwartung der Einwohner auswirkt.

Die Risikokurve des Lebens beschreibt Hesse so: »Sie beginnt mit 1300 Mikromort am ersten Tag, bedingt durch Gefahren der Geburt und der Säuglingssterblichkeit, und ist damit vergleichbar mit dem Tagesrisiko eines 100-Jährigen.« Bis zum Alter von zehn Jahren nimmt das Risiko stark ab (0,25 Mikromort). Dann verdoppelt sich das tägliche Risiko im Schnitt alle sieben Jahre. »Je älter wir werden, desto riskanter wird das Leben«, fasst Hesse zusammen. Auch ohne Besteigung des Mount Everest (35.000 Mikromort).

Der Artikel ist in der Ausgabe 07/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Sarah studierte Modejournalismus und Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem Weg zum Schreiben machte sie Halt bei Film und Fernsehen und im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, dem Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.