(Text: Dieter Möller)
Wenn es tropft, würde ein normaler Haushalt schleunigst den Klempner anrufen. Die Hamburger Kunsthalle reagiert hingegen höchst entschleunigt – nämlich gar nicht. Es soll tropfen, immer weiter, noch 474 Jahre lang, bis zum Jahr 2496. Die Tropfen gehören zu einem Kunstwerk, das Bogomir Ecker, damals Professor für Bildhauerei an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, erschaffen hat. Seit 1996 arbeitet die »Tropfmaschine«; ihre Laufzeit ist auf 500 Jahre festgelegt und an den Betrieb des Gebäudes als Kunstmuseum gebunden. In dieser Zeit soll durch das kalkhaltige Wasser ein Tropfstein wachsen.
Durch eine Glasscheibe kann dem Wachsen des Tropfsteins zugeschaut werden
Die Installation zieht sich durch das gesamte Gebäude. Vom Dach wird Regenwasser in ein 1000-Liter-Wasserreservoir im ersten Stock geleitet und bewässert dann, noch kalkfrei, im Foyer des Erdgeschosses ein Pflanzbecken mit verschiedenen Mineralien. Durch kalkige Erdschichten hindurch tröpfelt es in verkalkungs- und rostfreie Leitungen, die im Keller in einem eigens entwickelten keramischen Kapillarsystem enden. Von dort fällt ein steter Tropfen auf eine Marmorscheibe, die erschütterungsfrei gelagert ist, und lässt einen Stalagmiten wachsen, der durch Kupferoxide grün gefärbt ist. Durch eine Glasscheibe kann dem Wachsen des Tropfsteins zugeschaut werden.
Dass das Projekt auf 500 Jahre angelegt ist, soll eine Geste von Ecker bedingt haben. Einem Geologen zeigte er mit der Hand eine Spanne von fünf Zentimetern an, so groß sollte das Kunstwerk werden. Die dafür erforderliche Zeitspanne berechnete der Wissenschaftler auf 500 Jahre. Zehn Millimeter Wachstum in 100 Jahren ständigen Tropfens.
Der Artikel ist in der Ausgabe 08/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.