Welt ohne Menschen – wie würde sie wohl aussehen?

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Foto: George Theodore/Danita Delimont // Adobe Stock
Was, wenn es uns niemals gegeben hätte? So würde eine Welt ohne Menschen aussehen: Natur, viele Tiere und weite Flächen.

Science-Fiction-Filme behandeln ab und an das Szenario, wie es der Erde erginge, wenn die Menschen auf einmal verschwände – wenn die Epoche des sogenannten Anthropozäns, in der wir das Antlitz des Planeten auch geologisch umgestaltet haben, ein jähes Ende fände. Die Natur würde sich ihren angestammten Lebensraum Stück für Stück, Woche für Woche und Jahr für Jahr zurückerobern, bis nach einigen Jahrtausenden vom Menschen nur noch letzte überwucherte Zeugnisse aus Stahl und Stein übrig blieben – und der strahlende Atommüll.

Doch was wäre, wenn es den Menschen nie gegeben hätte? Wenn diese Laune der Evolution – ein intelligentes, alles andere dominierende Lebewesen, das dem Geobiologen Reinhold Leinfelder an der FU Berlin zufolge drei Viertel der festen eisfreien Erde umgekrempelt hat – ausgeblieben wäre? Konkret erforschen lässt sich dieses Szenario kaum, doch in Gedankenspielen haben Forschende fundierte Vermutungen angestellt. Eine Gruppe um die Biogeografen Jens-Christian Svenning und Søren Faurby von der dänischen Universität Aarhus zum Beispiel hat eine Weltkarte rekonstruiert, die vor allem zeigt, wie die großen Säuger verteilt wären. Im Prinzip ähnelt sie dem Zustand der prähistorischen Erde, also jener Zeit, bevor der Mensch schon als Jäger und Sammler begann einzugreifen.

Denn Fachleute sind sich heute weitgehend einig, dass dessen Einfluss nicht erst mit der Industrialisierung prägend wurde. Er hat schon in der Steinzeit dafür gesorgt, dass große Säuger wie Mammut, Waldelefant und Bär aus weiten Teilen der Erde verdrängt und manche Arten sogar ausgerottet wurden. Das lag nicht nur an Klimaveränderungen. Und wo große Pflanzenfresser oder Beutegreifer fehlen – da verändert sich auch die Landschaft. „An den meisten Orten gibt es ein großes Defizit in der Artenvielfalt der Säugetiere verglichen mit der, die es eigentlich von Natur aus dort geben müsste“, sagt Svenning.

In einer Welt ohne Menschen gäbe es mehr Urwälder und Tiere

Europa zum Beispiel wäre ohne Menschen sicherlich dichter bewaldet. Ackerflächen, aber auch ansehnliche Kulturlandschaften wie Heiden, Almen oder Streuobstwiesen gäbe es nicht. Der Mensch hat sie geformt. Andererseits gäbe es eine ausgeprägte Megafauna, die gewisse Teile der Landschaft offen halten und das Verdichten der Wälder verhindern würde: Ausgestorbene Arten wie Mammuts, Riesenhirsche, Moschusochsen und das Riesengürteltier würden wahrscheinlich noch leben. Auch Braunbären und Elche wären weiter verbreitet. Sogar Elefanten, Nashörner, Löwen und Hyänen würden in Europa vorkommen. „Afrika ist heute nicht deshalb so artenreich, weil es das von Natur aus war“, sagt Svennings Kollege Søren Faurby, „sondern nur deshalb, weil es einer der wenigen Orte auf der Erde ist, an dem die menschlichen Aktivitäten die großen Tiere noch nicht ausgelöscht haben.“

Und das wiederum, so besagt eine These, liege auch daran, dass diese Tiere in Afrika – der Wiege der Menschheit – schon länger mit den Menschen gelebt und die nötige Furcht vor diesen vergleichsweise neuen, jagenden Wesen entwickelt hatten. Als der Mensch auf andere Kontinente wanderte, waren die großen Säuger dort evolutionär unvorbereitet und liefen furchtlos in ihr Verderben. Christoph Doughty, Ökologe an der Northern Arizona University in den USA, hat zudem modelliert, dass die Megafauna durch ihre Transportdienste für eine deutlich gleichmäßigere Verteilung von Elementen wie Phosphor, Kalzium und Magnesium in der Landschaft sorgen würde. Die Böden wären daher fruchtbarer, die Ökosysteme produktiver, die Natur insgesamt reichhaltiger und artenreicher.

Hinzu kommt natürlich, dass der Erde ohne den Menschen jede Menge Plastik und andere Umweltverschmutzung erspart geblieben wäre, genauso die weitreichende Versiegelung des Bodens durch Betonbauten. Wälder und Flüsse könnten sich frei entfalten, statt begrenzt, eingedämmt und abgeholzt zu werden, auch viele kleinere ausgestorbene Tierarten wie Dodo und der Tasmanischer Tiger würden womöglich noch existieren.

In Europa gäbe es Löwen, Hyänen und Nashörner

Vor allem aber gäbe es die aktuelle Klimaerwärmung nicht. Seit der Industrialisierung hat der Mensch durch seine Treibhausgasemissionen das Klima weltweit um über ein Grad erwärmt, was erhebliche Auswirkungen auf Fauna, Flora und sogar die Geologie der Erde hat, wenn etwa der Meeresspiegel steigt und Naturgewalten zunehmen. Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat der Mensch damit sogar die nächste Eiszeit um mindestens 50 000 Jahre hinausgeschoben. Der normale Eiszeitzyklus, der den Planeten die letzten zwei Millionen Jahre prägte, ist unterbrochen.

Besonders interessant wird das Gedankenspiel, wenn man an das Schicksal anderer Menschenarten wie Neandertaler und Denisova-Mensch denkt. Ähnlich wie bei Mammut und Riesenhirsch gehen viele Fachleute davon aus, dass sie auch aufgrund der Konkurrenz durch den modernen Menschen Homo sapiens ausgestorben sind. Hätten sie vielleicht überlebt? Womöglich sogar unsere Rolle übernommen und sich ähnlich weiterentwickelt – bis hin zur Hochtechnologie? „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Neandertaler und Denisova-Menschen mit genügend Zeit nicht hätten erreichen können, was wir erreicht haben“, sagt der Paläoanthropologe Chris Stringer vom Natural History Museum in London. Mögliche intellektuelle Nachteile hätten sie überwinden können. Wobei strittig ist, ob es solche Nachteile überhaupt gab. Hätten sie die gleichen Fehler gemacht wie wir? Vielleicht sähe die Welt also auch ohne den modernen Menschen gar nicht so anders aus.

Sarah arbeitet als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für „P.M.“ und „National Geographic“. Zum Journalismus kam sie über ihr Studium Modejournalismus / Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem beruflichen Weg sammelte sie auch Erfahrungen im Bereich Film und Fernsehen sowie im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.
Sarah arbeitet als Wissenschaftsjournalistin, unter anderem für „P.M.“ und „National Geographic“. Zum Journalismus kam sie über ihr Studium Modejournalismus / Medienkommunikation in München und Berlin. Auf ihrem beruflichen Weg sammelte sie auch Erfahrungen im Bereich Film und Fernsehen sowie im Marketing. Ihre Interessen liegen vor allem im Tierschutz, Feminismus und in der Kunst – und natürlich im Entdecken von spannenden Geschichten.