(Text: Dieter Möller)
Die Nacht auf den 19. Januar bedeutet für Millionen von Russen und Russinnen wieder einen ganz besonderen Termin. Es ist die Nacht auf den Dreikönigstag mit dem Fest der Epiphanie, das auf den 19. Januar fällt, weil die russisch-orthodoxe Kirche und andere Ostkirchen dem alten julianischen Kalender folgen. Bevor es hell wird an diesem Dreikönigstag, feiern die Gläubigen die Taufe von Jesus Christus im Jordan. Dazu springen Millionen von Hartgesottenen in Eislöcher in Seen und in Flüssen und glauben, sich damit von Sünden reinwaschen zu können. Denn in dieser Nacht weihen orthodoxe Priester zuvor die Gewässer. Das so gesegnete Wasser gilt bis zum nächsten Jahr als heilig und rein. Da es auch die Gesundheit stärken und die Seele reinigen soll, überwinden sich auch viele Nichtgläubige zum Eisbaden oder erfreuen sich sogar daran.
Auch Prominente tauchen ins eiskalte Wasser
Glocken läuten während des Brauchs. Viele bekreuzigen sich ihres Glaubens wegen – oder nur, um sich Mut zu machen. Mit Geschrei springen sie dann in die Eislöcher und tauchen dreimal unter. Rettungskräfte ziehen die Gläubigen und Mutigen aus dem Wasser. Dann geht‘s schnell zum Ufer, um sich zu trocknen oder trocken reiben zu lassen. Nach einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur nahmen im Januar 2020 gut zwei Millionen Menschen an den etwa 9000 Badestellen teil, beobachtet von gut 40 000 Sicherheitskräften und Sanitätern und Sanitäterinnen. Im vergangenen Jahr schreckte im sibirischen Jakutsk sogar eine Temperatur von minus 56 Grad Celsius nicht vom Eisbaden ab. Auch Prominenz beteiligt sich am Winterbrauch, so 2021 der russische Staatspräsident Wladimir Putin und der Ex-Boxweltmeister und Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew Vitali Klitschko. Die Tradition wird auch in der Ukraine mit gut 600 Badestellen hochgehalten. Das Eisbaden ist nicht ungefährlich. Es hat auch schon Todesfälle gegeben. Daher warnen Kirche und Behörden vor Risiken, die vor allem für Ältere und Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen gelten. Doch vielen ist das in der Nacht auf den 19. Januar egal. Hauptsache, die Sünden sind weg.
Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.