Was sind die japanischen Klanglandschaften?

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Foto: © Tim Banning / Alamy Stock Photo
In Japan stehen sogenannte Klanglandschaften unter Umweltschutz. Das steckt dahinter:

(Text: Minerva Fois)

Umweltschutz ist ein weites Feld: Tiere und Pflanzen können schutzbedürftig sein, Urwälder ebenso wie alte Kulturlandschaften. In Japan wird ein ganz besonders empfindliches Umweltphänomen mit hinzugezählt: die Klanglandschaft. In den 1990er-Jahren hat die japanische Umweltbehörde mit einigem Aufwand sogar eine Liste der 100 wichtigsten nationalen Klanglandschaften erstellen lassen – als Manifest gegen all den bedeutungslosen Lärm, der die Umwelt akustisch »verschmutzt« und jene Klänge überdeckt, die wirklich etwas bedeuten.

Die Vorschläge für die Liste der wichtigsten Japanklänge lieferte die Bevölkerung: Viele Hundert Klangbeispiele aus allen 47 Präfekturen des Landes kamen auf diese Weise zusammen. In der endgültigen Auswahl sollte die Natur des Inselstaats im Wandel der Jahreszeiten akustisch enthalten sein, aber auch das kulturelle Erbe Japans mitsamt den vielen altehrwürdigen Handwerkstraditionen. Ein spezielles Expertengremium – in Japan existiert seit 1993 die »Gesellschaft für Klanglandschaften« – lauschte und prüfte das Klangmaterial drei Jahre lang, bis 1997 die Liste stand.

Japans geschützte Klanglandschaften

Sie umfasst Klänge und Geräusche unterschiedlichsten Ursprungs, vom tropfenden Wasser bis zum ratternden Webstuhl, von knirschenden Eisbrocken bis zum berühmten »singenden Sand« am Strand von Kotohiki, der seltsam quietscht, wenn man darauf herumhüpft. Selbstverständlich stehen auch die legendären Zikaden vom Yamadera-Tempel im Südosten Japans auf der Liste: Mit ihrem schrillen Insektengeschrei haben diese Tiere schon im 17. Jahrhundert den japanischen Dichter Matsuo Basho zum berühmten »Zikaden-Haiku« inspiriert: »Stille … das Sirren der Zikaden sickert ein in den Fels«.

Zu Japans geschützten Klanglandschaften gehören auch der raschelnde riesige Bambushain von Arashiyama (Foto oben) oder die an einen bestimmten Felsen an der Küste donnernden Pazifikwellen – wobei das verheerende Erdbeben im Frühjahr 2011 den mächtigen Wellenklang am Kaminari-iwa (»Donnerfelsen«) deutlich abgeschwächt hat, wie die Soundexperten berichten.

Früher donnerte es vernehmlich, wenn das Meerwasser in eine bestimmte Felshöhle ein- und wieder ausströmte. Seit dem Beben ist die Höhle teilweise verschüttet, sodass sie nicht mehr so eindrucksvoll klingt wie ehedem. Die »Klangpfleger« waren nach der Katastrophe in die betroffene Region gefahren, um den akustischen Zustand der gelisteten Klänge dort zu begutachten.

Der Artikel ist in der Ausgabe 11/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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