Wer Lärchen, Fichten und Eichen mit hochpräzisen Messinstrumenten zu nächtlicher Stunde beobachtet, entdeckt Verblüffendes. Klar, Lebewesen schlafen, das wissen wir vor allem von Tieren: Vögel schlummern, Mäuse pennen, sogar Molche dösen. Sie alle passen ihr Leben an den Rhythmus von Tag und Nacht an. Aber was machen Bäume? Schlafen die auch?
Das ist, zugegeben, eine Frage, die einen im Alltag eigentlich nicht so beschäftigt — Forscher aber schon. Um eine Antwort zu finden, nutzten Wissenschaftler moderne Lasertechnik, mit der ein Baum binnen Minuten präzise abgebildet werden kann. Auf diese Weise entwickelten die Forscher Aufnahmen ihrer botanischen Probanden in Serien, konnten also beobachten, ob sie sich im Verlauf der Nacht veränderten. Alle Versuche fanden nahe der Tagundnachtgleiche statt, zum Teil in Österreich, zum Teil in Finnland, unter ruhigen Wetterbedingungen, ohne Wind und Tau.
Auch ein Baum muss mal entspannen
Die Resultate sind bemerkenswert: Jeder Baum sank im Verlauf der Nacht in sich zusammen, ein deutliches Indiz für eine Entspannung, die einem schlafähnlichen Zustand nahekommt. Die Blätter und Zweige senkten sich dabei kontinuierlich nach unten, bis zu zehn Zentimeter, und erreichten einige Stunden vor Sonnenaufgang ihre tiefste Position. Morgens kehrten Blätter und Zweige wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. Ob sie dabei vom Sonnenlicht aufgeweckt wurden oder einen inneren Wecker hatten, müssen die Forscher noch herausfinden. Eines wissen sie aber jetzt schon: Vor allem nachts lassen Stämme ein leises Rauschen vernehmen. Zu diesem Zeitpunkt ist das meiste Wasser in den Bäumen enthalten, sie haben sich regelrecht aufgepumpt. Während der Nacht aber bewegt es sich nicht, anders als am Tag, es steht in den Leitungen, nichts fließt. Woher kommen dann die Geräusche? Forscher vermuten, dass sich in der Dunkelheit Bläschen bilden und einen Baum auf diese Weise »schnarchen« lassen.
(Text: Bertram Weiß)
Der Artikel ist in der Ausgabe 10/2020 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.