Geologen bezeichnen das Phänomen als »Thermokarst-Vertiefung«, im Fachjargon heißt es auch »Megaslump«. Die Menschen in Ostsibirien aber, in deren Heimat das natürliche Schauspiel stattfindet, nennen es das »Tor zur Unterwelt«: ein riesiger, tiefer Krater im Erdboden, der nach und nach immer größer wird.
Für die Wissenschaft ist der Krater ein Glücksfall
Mehr als 900 Meter breit und rund 100 Meter tief ist das Loch in der Erde inzwischen, mit bis zu 60 Meter hohen Steilwänden an den Seiten. Es liegt nahe der Stadt Batagai, 660 Kilometer nordöstlich von Jakutsk. Aus der Luft erinnert seine Form an eine Kaulquappe. Entstanden ist der größte Megaslump der Welt seit den 1960er-Jahren aus einer schmalen Bodenrinne, um die herum damals für eine neue Straße der Wald gerodet wurde. So konnte die Erosion des zunehmend tauenden Permafrosts ihren Lauf nehmen. Schmelzwasser und Regengüsse tragen seither immer mehr Sedimente aus der Rinne ab. »Es ist ein atemberaubender Ort«, sagt Thomas Opel vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam. Der Paläoklimatologe nahm schon an zwei Expeditionen zum Megaslump teil und erforscht ihn intensiv.
Für die Wissenschaft ist der Krater ein Glücksfall, eine Art Guckloch in die Vergangenheit: »Er gewährt uns sowohl Einblicke in Zeiten, als der Permafrost noch stabil war, als auch in solche Zeiten, als er erodierte.« Die untersten Schichten im Batagaika-Krater sind mehr als 600 000 Jahre alt. Sie stellen den ältesten Permafrost dar, der in Sibirien jemals datiert wurde. Die Untersuchung offenbart zum Beispiel, wie viel Kohlenstoff der Permafrost über die Jahrtausende gebunden hat. Das ist wichtig, um abzuschätzen, wie viel Treibhausgas zusätzlich in die Atmosphäre gelangt, wenn er jetzt weltweit schmilzt.
(Text: Jan Berndorff)
Der Artikel ist in der Ausgabe 05/2021 von P.M. Fragen & Antworten erschienen.