Welches Tier hat die längste Brutzeit?

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Brutkolonie in 3200 Metern Tiefe: Im Monterey Canyon vor der Westküste der USA hüten Kraken ihre Gelege teils über mehrere Jahre Foto: © Chad King/OET, NOAA
Kraken im Pazifischen Ozean sitzen teils über Jahre auf ihren Eiern. Wann die Nachkommen schlüpfen, hängt dabei von der Wassertemperatur ab.

(Text: Minerva Fois)

Kein Tier muss so ausdauernd auf seinen Eiern sitzen wie jene handtellergroßen Kraken, die in den unteren Etagen des Pazifischen Ozeans anzutreffen sind. Erforscht wurden die Langzeitbrüter in der Monterey Bay an der Küste Kaliforniens. Das Gebiet ist nicht nur das größte Meeresreservat der USA, sondern auch ein Hotspot der Tiefseeforschung: Der unterseeische Monterey Canyon klafft dort bis zu 3600 Meter abwärts. Knapp auf der Hälfte, in 1400 Metern Tiefe, beobachtete der Tauchroboter eines Biologenteams ab 2007 eine jener eingangs erwähnten brütenden Krakenmütter. 

Das Tier saß dort bis 2011 auf einem Felsvorsprung und ließ sein Gelege während der kompletten viereinhalb Jahre keine Sekunde allein. Der Furcht vor Fressfeinden ordnete das Tier sogar den Überlebenstrieb unter: Der brütende Krake besorgte sich nicht einmal mehr Futter. Mit der Zeit wurde das ursprünglich braunrote Tier totenbleich, und nach dem Schlüpfen der 160 Jungen war es buchstäblich und endgültig verblichen. Die Nachkommenschaft dagegen entwickelte sich dank der langen Brutzeit prima.

Ein Unterwasser-Vulkan hält die Gelege warm

Die Brutzeit der Kraken hängt ab von der Wassertemperatur. Im beobachteten Fall betrug sie knapp drei Grad Celsius, in größeren Tiefen wird es noch etwas kälter. Bei dann 1,6 Grad könnte die Brutzeit sogar bis zu zwölf Jahre dauern, schätzen die Forschenden. 

Doch so geduldig sind nicht einmal Kraken: Sie haben eine bessere Lösung gefunden. Statt ihr Dasein als Dauerbrüter zu fristen, setzen sie auf Geothermie. Im Unterwassercanyon befindet sich nämlich ein Unterwasservulkan, der Davidson Seamount. 

Obwohl er inaktiv ist, strömt stellenweise erwärmtes Wasser aus Rissen im Gestein. Der Tauchroboter der Monterey-Bay-Forschungsstation entdeckte Hunderte Tiefseekraken, die sich dort zum Gemeinschaftsbrüten versammelt hatten. Wie sich herausstellte, erwärmen die Thermalquellen das Meerwasser auf gedeihliche zehn Grad plus: Das verkürzt die Brutzeit auf rund 600 Tage. 

Der Artikel ist in der Ausgabe 08/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.

Die P.M.-Redaktion besteht aus einer Hauptredaktion und einer Vielzahl freier Autorinnen und Autoren. Die Magazine „P.M.“, „P.M. Schneller schlau“ und „P.M. History“ erscheinen monatlich und beschäftigen sich mit Themen rund um Physik, Chemie, Biologie, Natur, Psychologie, Geschichte und vielen mehr.
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