Was ist ein unterirdischer Wasserfall?

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Mitten im Fels stürzen die Schweizer Trümmelbachfälle über 140 Meter in die Tiefe. Foto: © mauritius images / Uwe Steffens
In Höhlen oder tiefen Schluchten können »unterirdische« Wasserfälle entstehen. Ein berühmtes Beispiel sind die Schweizer Trümmelbachfälle

(Text: Minerva Fois)

Ein Wasserfall unter der Erdoberfläche: Gibt es so etwas wirklich? Tatsächlich können Höhlen oder tiefe, enge Schluchten tosende Kaskaden bergen, die kein Tageslicht erreicht. Solche Wasserfälle werden unterirdisch genannt, auch wenn sie ganz oder teils oberhalb des Meeresspiegels liegen. Ein berühmtes Beispiel gibt es in den Schweizer Alpen: Die Trümmelbachfälle zählen dort zu den größten unterirdischen Wasserfällen überhaupt. Über zehn Stufen und insgesamt 140 Meter stürzt das Wasser mitten im Fels in die Tiefe. Über Jahrtausende waren die Fälle im Berginnern eingeschlossen, unberührt und unsichtbar. 1877 wurden sie entdeckt und bald darauf durch Treppen und Brücken zugänglich gemacht.

Mittlerweile sind die Trümmelbachfälle schon deshalb weltweit einmalig, weil sie so gründlich erschlossen sind: Per Lift lassen sich im Berg 100 Höhenmeter überwinden, hinzu kommen beleuchtete Tunnel und Aussichtsplattformen, wo Besucher die hinabstürzende Gischt hautnah erleben können. Das Wasser stammt von der Berggruppe Eiger, Mönch und Jungfrau. Je nach Jahreszeit hat der Trümmelbach die Kraft von bis zu 20 000 Liter Schmelz- oder Gletscherwasser pro Sekunde. Wie sich das anhört, verrät der Name des Bachs: »Trümmel« kommt von »trommeln«.

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Touristinnen und Touristen bewundern die Schweizer Trümmelbachfälle.
Foto: © mauritius images / Arterra Picture Library / Alamy

Die Trümmelbachfälle im Lauterbrunnental: Das »Tal der 72 Wasserfälle«

Der im Innern tosende Berg liegt eingebettet ins Lauterbrunnental. Dort herrscht auch an oberirdischen Wasserfällen überhaupt kein Mangel, wie der Beiname »Tal der 72 Wasserfälle« verrät. Das Tal wiederum gehört zur spektakulären Unesco-Welterbe-Landschaft des Berner Oberlands. Die Alpengletscher schmelzen allerdings rasant, was mittelfristig auch die Wasserfälle stark beeinflussen wird. 

Außergewöhnlich ist auch der Flecken Gaping Gill in der hügeligen Weite des Yorkshire-Dales-Nationalparks in Nordengland. An den Ausläufern des 723-Meter-Bergs Ingleborough tut sich urplötzlich ein riesiges Loch auf. Es erlaubt Zugang zu einer Höhle, groß wie eine Kathedrale. Hier verschwindet das Flüsschen Fell Beck und stürzt als unterirdischer Wasserfall rund 100 Meter in die Höhle. Dort versickert es im Boden und fließt weiter durch Öffnungen im Gestein. Zweimal im Jahr können Höhlenfans sich neben dem Wasserfall bis auf den Höhlengrund abseilen lassen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 09/2022 von P.M. Schneller Schlau erschienen.